Zur Langen Nacht der Museen in Berlin am 27. August 2016 war es endlich soweit: Das DDR Museum öffnete die Eingangstür zur Plattenbauwohnung, dem neuen Ausstellungsteil, der seit über 1,5 Jahren geplant und vorbereitet wurde.
Jede Menge Liebe zum Detail und wissenschaftliche Recherchearbeit hat das Kuratorenteam in die nachempfundene Dreiraum-WBS 70-Wohnung gesteckt. Nahezu authentisch stellt sich dem Besucher eine Plattenbauwohnung dar, während hinter Klappen und Türen ein musealer Blick auf den privatesten Alltag in der DDR geworfen werden kann.
Mit diesem dritten Ausstellungsteil soll eine didaktische Unterteilung der Aufarbeitung des DDR-Alltags in drei Bereiche verwirklicht werden: Privates - Politisches – Öffentliches. Selbstverständlich ist diese Trennung einem museumpädagogischen Konzept geschuldet, während der Alltag im Sozialismus keineswegs so trennscharf in diese Bereiche unterteilt werden kann, sondern durch Überschneidungen geprägt war. Dies wird an unterschiedlichsten Stellen in den Ausstellungsbereichen deutlich.
Bevor der Besucher den Hauseingang nutzt, kann er mittels Kopfhörer die Gespräche in den Wohnräumen abhören und sich über die Arbeit der Staatssicherheit informieren. Auch wenn die Wohnraumüberwachung, der Auftrag B, nicht sehr häufig durchgeführt wurde, war er für das Kuratorenteam unverzichtbar. Es geht darum, dem Besucher das beklemmende Gefühl zu verdeutlichen, dass man nicht alles laut sagen konnte und auch nicht sicher sein konnte, wer einem gerade zuhört.
Über einen typischen Hauseingang eines Plattenbaus, an dem sich der Besucher über ein Klingelspiel auch über andere Wohnformen in der DDR informieren kann, betritt der Besucher einen Fahrstuhl, der eine Fahrt ins 5. OG simuliert. Dort angekommen, befindet man sich im Flur einer Drei-Raum-Wohnung, die – orientiert an einer WBS 70-Wohnung – mit originaler Plattenbau-Grundausstattung eingerichtet ist. Der größte Raum der Wohnung ist das Wohnzimmer, das über eine Durchreiche mit der Küche verbunden ist. Hier kann man am Esstisch Platz nehmen oder vom Sofa aus über einen in den Mufuti eingelassenen Touchscreen das Fernsehprogramm aus Ost und West steuern. Die gegenüberliegende Carat gibt außerdem weitere Informationen dazu, wie schwierig sich die Wohnungssuche in der DDR gestaltet hat und welche Möglichkeiten sich dem DDR-Bürger boten das Wohnungsamt zu umgehen. Daneben werden Themen wie Feiern, Gesellschaftsspiele, Drogenkonsum, Grund- und Luxusgüter sowie Westfernsehkonsum behandelt.
In der Küche kann man sich nicht nur über die Ernährung, den Lebensmittelkonsum und Vorratshaltung in der Mangelwirtschaft informieren, sondern sich gleich auch aus einer Vielzahl von Rezepten am digitalen Rezeptedrucker eine kulinarische Anregung für zuhause mitnehmen. Außerdem ein besonderes Highlight: der digitale Kühlschrank. In ihm findet der Besucher hinter einem transparenten Touchscreen diverse Produkte, die er per Fingertipp auswählen kann, um Statistiken zu den Essgewohnheiten in der DDR abzurufen.
Provokativ wurde auch das Großthema Gleichberechtigung der Frau in die Küche aufgenommen. Man kann anhand eines Gleichberechtigungsspiels seine Expertise zum Thema unter Beweis stellen.
In der Nasszelle der Wohnung geht es um die Themen Gesundheit und Hygiene. Neben Informationen über das Gesundheitssystem vermitteln ein Screen in der Waschmaschine und ein Hygienespiel, in welcher Art und Weise Gesundheitsaufklärung betrieben wurde. Das Badezimmer ist außerdem mit der originalen Sanitärausstattung aus einem WBS 70-Plattenbau aus Dessau ausgestattet.
Der weitere Weg durch den Flur führt ins Elternschlafzimmer. Eine Projektion auf das ordentlich unter einer Tagesdecke verborgene Doppelbett beschäftigt sich mit dem Intimsten: verschiedene Statistiken klären im Ost-West-Vergleich über das Erste Mal, die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs oder das Fremdgehen in beiden deutschen Staaten auf.
Weitere Themen zu Liebe, Ehe und Kinderkriegen finden sich in den Schubläden.
Nachdem es einerseits im Schlafzimmer um das gegenseitige Ausziehen geht, wird im Kleiderschrank andererseits das Anziehen thematisiert. Ein Bildschirm ermöglicht es durch Modezeitschriften zu blättern, verschiedene DDR-Stoffproben erlauben es ein Gespür für DDR-Textilien wie Dederon oder Wolpryla zu bekommen. Doch damit nicht genug! Eine eigens für das DDR Museum entwickelte Software ermöglicht es den Besuchern verschiedene DDR-Kleidung digital anzuprobieren und sich in einem digitalen Spiegel zu betrachten. Selbstverständlich lässt sich das Bild lange genug einfrieren, um einen ganz besonderen Selfie zu schießen.
Am Ende des Flures taucht der Besucher in die Welt der Kinder und Jugendlichen in der DDR ein. In dem farbenfrohen Zimmer mit roten Jugendmöbeln und Sonnenblumentapete, die das DDR Museum durch die Facebook-Community auswählen ließ, gibt es Vieles zu entdecken. Neben dem DDR-Doppelstockbett befindet sich die Pionierbluse mit Halstuch, das richtig geknotet werden muss. In einem Spielzeugschrank kann der Besucher per Fingertipp durch DDR-Kinderbücher blättern und die typischen Kindheitsbegleiter, wie das Sandmännchen und Pittiplatsch, im Puppentheater entdecken. Als Familienmuseum werden auch die Kleinsten über modernste Ausstellungstechnik vom „kleinen Muck“ unterhalten.
Die gegenüberliegende Jugendschrankwand verweist darauf, wie früh schon ein Teenager erste politische Entscheidungen treffen musste. Sowohl über das Spiel „Der Weg ins Leben“ als auch über neun Schubladen lassen sich diese nachempfinden.
Darüber hinaus geben einzelne Schrankfächer Einblick in das Leben und die Hobbies eines Heranwachsenden in der DDR. Insbesondere ein Diorama zu Springsteens Konzert in Berlin-Weißensee sei hier genannt: als wäre man live dabei!
Bevor man den neuen Ausstellungsteil verlässt, kann ein Blick in eine alte DDR-Garage erhascht werden. Durch einen Türspalt erhält der Besucher Einblick in das kleine Paradies für Bastler, wo nicht nur diverser Hausrat gelagert und repariert, sondern mit großer Kreativität Nützliches gebastelt wurde.
In den folgenden Wochen werden wir Ihnen die einzelnen Räume auf unserem Blog und in den Social-Media-Kanälen genauer vorstellen. Los geht´s nächste Woche mit der Küche!