DDR-Geschichte

Erich Honecker – Aufstieg und Fall des DDR-Staatsoberhauptes

Erich Honecker war von 1971 bis 1989 Staatsoberhaupt der DDR und verantwortete zahlreiche Todesopfer während seiner Amtszeit. Der Artikel betrachtet die politische Karriere vom Aufstieg bis zum Fall Honeckers. von Jörn Kleinhardt (29.10.2015)

Am 29. Oktober 1976 wurde Erich Honecker von der Volkskammer zum Vorsitzenden des Staatsrates der DDR gewählt. Damit hatte er die wichtigsten Ämter in der DDR wie Generalsekretär des Zentralkomitees der SED,  Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates und letztendlich ab 1976 auch den Vorsitz des Staatsrates der DDR in Personalunion inne. Innenpolitisch war Honecker auf dem Zenit seiner Macht. Aber wie gelangte der »kleine Saarländer« in diese einflussreichen Positionen? Dazu ist zunächst ein Blick in die Vergangenheit Honeckers notwendig.

Politisches Engagement Honeckers bereits mit 10 Jahren

Geboren wurde Erich Honecker am 25. August 1912 in der saarländischen Kreisstadt Neunkirchen. Aufgewachsen in den bescheidenen Verhältnissen einer Arbeiterfamilie wurde Honecker bereits mit 10 Jahren Mitglied der örtlichen kommunistischen Jugendgruppe. Weitere Karriereschritte in der Weimarer Republik waren die Mitgliedschaft im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) mit 14 Jahren sowie der Eintritt in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) als Siebzehnjähriger. Nachdem er nach der Schulzeit Probleme hatte, eine Lehrstelle zu finden, begann er bei seinem Onkel eine Lehre als Dachdecker.

Abbruch der Dachdecker-Lehre zugunsten der Politik

Aufgrund seiner Delegierung durch den KJVD zum Studium an die Moskauer Internationalen Lenin-Schule brach er jedoch die Lehre ab und konzentrierte sich auf seine politische Karriere. Nachdem er die politische Schulung in Moskau erfolgreich beendet hatte, kehrte Honecker ins Saarland zurück und wurde Bezirksleiter des KJVD im Saargebiet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 war die politische Tätigkeit der Kommunisten nur noch im Untergrund möglich.

Inhaftierung Honeckers während des Nationalsozialismus

Honecker wurde in der Folgezeit aufgrund seiner politischen Gesinnung und seines Engagements mehrfach durch die Gestapo verhaftet und im Jahr 1937 zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Haftzeit verbrachte der junge Honecker in der Haftanstalt Brandenburg-Görden. Aufgrund guter Führung während seiner Haftzeit überlebte Honecker, im Gegensatz zu vielen anderen Kommunist*innen, die Jahre nationalsozialistischer Haft und ging nach der Befreiung der Haftanstalt durch die Rote Armee Ende April 1945 nach Berlin. Dort kam Honecker eher zufällig mit der »Gruppe Ulbricht« in Kontakt.

Honecker: Mitbegründer der FDJ und Eintritt in die SED

Im darauffolgenden Jahr war Honecker Mitbegründer der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und übernahm den Vorsitz der Jugendorganisation. Im selben Jahr trat er zudem in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ein, nachdem die KPD und SPD im April 1946 zwangsvereinigt wurden. Nach Gründung der DDR 1949 bewährte sich Honecker bei der Organisation der Deutschlandtreffen der Jugend und wurde 1950 als Kandidat des Zentralkomitees der SED ins Politbüro aufgenommen. Nach dem Volksaufstand im Juni 1953 stellte sich Honecker offen auf die Seite des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und stärkte somit dessen Machtposition innerhalb der SED. Nach drei Jahren der politischen Schulung in Moskau wurde Honecker 1958 vollgültiges Mitglied im Politbüro und übernahm das Amt des Sekretärs für Militär- und Sicherheitsfragen im Zentralkomitee. In dieser Funktion war Erich Honecker maßgeblich für die Organisation des Mauerbaus im August 1961 verantwortlich.

Nach einem politischen Generationswechsel in der UdSSR stand mit Leonid Breschnew ein Mann an der Spitze der KPdSU, der aus der gleichen Generation wie Honecker stammte. Der vormalige Machthaber Nikita Chruschtschow wurde wie der DDR-Staatschef Walter Ulbricht im ausgehenden 19. Jahrhundert geboren. Ein Generationenkonflikt bahnte sich an und Honecker sah seine Chance, seinen einstigen politischen »Ziehvater« Ulbricht als Staatschef zu verdrängen, da dessen »Alleingänge« in wirtschaftspolitischen Fragen in Moskau zusätzlich für Unmut sorgten.

gerahmtes Portrait Erich Honecker

Honecker ab 1971 Nachfolger von Walter Ulbricht

Nachdem Honecker sich die Rückendeckung Breschnews in Moskau geholt hatte, wurde der alternde Ulbricht am 3. Mai 1971 zum Rücktritt gezwungen und Erich Honecker somit zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees und Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates.

Mit der von Honecker initiierten Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik, welche den Lebensstandard und die Arbeitsproduktivität der Bevölkerung anheben sollte, gab es Anfang der 1970er-Jahre einen zaghaften Aufschwung. Vor allem das staatlich subventionierte Wohnungsbauprogramm wurde vorangetrieben, zahlreiche Plattenbauten entstanden und prägen bis heute das Erscheinungsbild ostdeutscher Städte und Gemeinden. Das Nettoeinkommen der Arbeitsbevölkerung in der DDR stieg bis 1987 um durchschnittlich 97 Prozent gegenüber dem Jahr 1970. Diese großzügigen »Sozialleistungen« überstiegen das volkswirtschaftliche Leistungsvermögen der DDR-Wirtschaft. Steigende Erdölpreise in den 1970er-Jahren beeinflussten die Situation zusätzlich negativ. Im Jahr 1973 wurde die DDR, wie auch die Bundesrepublik Deutschland, als Vollmitglied in die UNO aufgenommen. Der Grundlagenvertrag zwischen den beiden deutschen Staaten trat im gleichen Jahr inkraft. Dies waren die größten außenpolitischen Erfolge Honeckers in dieser Ära.

Nach zaghaftem Aufschwung in den 70ern folgte der (Ver)Fall

In den 1980er-Jahren waren die Defizite der verfehlten Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik für alle am Verfall der Infrastruktur sichtbar, woraufhin sich Umweltgruppen und andere oppositionelle Bewegungen formierten. Mit den durch Michail Gorbatschow angestoßenen Reformbewegungen Glasnost und Perestroika Mitte der 80er-Jahre konnte der alternde Honecker ebenso wenig anfangen. Im September 1987 jedoch besuchte Honecker als erstes ostdeutsches Staatsoberhaupt die Bundesrepublik und wurde mit allen Staatsehren von Bundeskanzler Helmut Kohl empfangen.

Von der Öffnung des Eisernen Vorhangs durch Ungarn im Sommer 1989 wurde Honecker förmlich überrumpelt. Er hatte die Zeichen der Zeit schlicht ignoriert und war durch altersbedingte Krankheiten handlungsunfähig. Knapp zwei Monate später am 17. Oktober 1989 wurde das Staatsoberhaupt auf einer Sitzung des Politbüros durch seine vormals politischen Mitstreiter Günther Mittag, Willi Stoph und Erich Mielke abgesetzt. Seine Ämter übernahm der jüngere Egon Krenz.

Einleitung Ermittlungsverfahren gegen Erich Honecker 1989

Am 5. Dezember 1989 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Honecker sei »verdächtig, seine Funktion als Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und seine angemaßte politische und ökonomische Macht als Generalsekretär des ZK der SED missbraucht« und »seine Verfügungsbefugnisse als Generalsekretär des ZK der SED zum Vermögensvorteil für sich und andere missbraucht zu haben«. Nach weiteren Krankenhausaufenthalten und kurzen Haftzeiten unter anderem in Berlin-Rummelsburg bekam der verstoßene Honecker Asyl bei Pastor Uwe Holmer, dem Leiter der Hoffnungsthaler Anstalten, einer evangelischen Einrichtung in der Nähe von Berlin. Wenige Tage vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten flüchtete der mittlerweile schwer kranke Honecker ins Moskauer Exil.

Flucht, Haft, Exil und Tod Honeckers

Im Dezember 1991 wurde Honecker durch den neuen russischen Machthaber Boris Jelzin aufgefordert, das Land zu verlassen. Er flüchtete daraufhin in die chilenische Botschaft in Moskau und hoffte auf Asyl. Knapp sechs Monate später änderte die chilenische Regierung ihre Haltung gegenüber Honecker und lieferte ihn nach Deutschland aus. Am 29. Juli 1992 wurde Erich Honecker nach Berlin ausgeflogen, wo er sofort verhaftet und in die Justizvollzugsanstalt Moabit gebracht wurde. Wie weitere führende SED-Politiker wurde Honecker wegen der Mauertoten angeklagt. Vor Gericht übernahm er zwar die politische Verantwortung dafür, fühlte sich aber weder moralisch noch juristisch schuldig. Im Januar 1993 wurde der Haftbefehl gegen Honecker aufgrund seiner schweren Krankheit und Beschwerden seiner Strafverteidiger aufgehoben. Unmittelbar darauf wurde Honecker nach Chile zu seiner Familie ausgeflogen. Dort starb er politisch isoliert im Kreise seiner Familie am 29. Mai 1994. Seine Urne wurde in der Hauptstadt Santiago de Chile beigesetzt.

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