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Giesecke: Von der Gründung zum Untergang

Die Entwicklung des Ministeriums für Staatssicherheit lässt sich nach Jens Giesecke in drei Phasen unterteilen. Wie er diese unterscheidet, soll hier besprochen werden. (26.05.2017)

Jens Giesecke: Von der Gründung bis zum Untergang, in: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/stasi/218940/geschichte, 2.1.2017 (abgerufen am 24.5.2017).

Jens Giesecke beschäftigte sich als Historiker bereits eingehend mit der Staatssicherheit der DDR und veröffentlichte dazu eine Vielzahl an Publikationen. Er ist Projektleiter der Abteilung „Kommunismus und Gesellschaft“ am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.

Blickt man heute auf die Stasi, so Giesecke, sei der Blick von den Verhältnisses des MfS in den 80er Jahren geprägt: ein riesiger Apparat der Massenüberwachung, der gegen die prominenten Oppositionellen vorging. Doch die Stasi wandelte sich seit ihrer Gründung am 8. Februar 1950 bis zu ihrer endgültigen Auflösung am 31. März 1990 in ihrer Funktion und ihren Methoden.

1. Phase: Machtdurchsetzung im Stalinismus 1945-1956

Zu Beginn war die Stasi gemäß ihrer sowjetischen Vorläufer eine stalinistische Geheimpolizei, die dazu diente die Herrschaft der Partei durchzusetzen und zu sichern, indem sie (vermeintliche) Gegner verfolgte. Bereits 1945 arbeitete die sowjetische Geheimpolizei (NKGB) auf diese Weise in der SBZ und errichtete große Internierungslager, wo sie Zivilisten einsperrte, die als Nazis und „Werwölfe“ (fanatische junge Anhänger Hitlers, die die Besatzungsmacht sabotieren sollten) galten.

Seit 1948 bereits ersuchte die SED bei der Sowjetunion das Recht, eine eigenständige Geheimpolizei aufzubauen. Die Vorläufer des MfS, der politische Zweig „K 5“ der Kriminalpolizei und die „Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft“ bildeten dann 1950 das MfS, das fortan unliebsame Personen verhaftete und vor Strafgerichten oder sowjetischen Militärtribunalen (bis 1955) wegen Spionage oder Sabotage aburteilen ließ. Die Verfolgung betraf auch Mitglieder der SED-Führung, Minister der DDR-Regierung, Zeugen Jehovas und private Unternehmer. Lange Haftstrafen und sogar Todesstrafen sowie körperliche Folter in den Haftanstalten sollten die DDR „politisch säubern“.

Mit dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 hatte das MfS in seiner Aufgabe versagt. Ulbricht stufte das Ministerium deshalb zum Staatssekretariat im Ministerium des Innern herab. Der neue Stasi-Chef nach Wilhelm Zaisser, Ernst Wollweber, führte einige öffentlichkeitswirksame Verhaftungen und Schauprozesse durch, die mitverantwortlich dafür waren, dass die Stasi nach zwei Jahren wieder zum MfS wurde. Mit der Entstalinisierung in der Sowjetunion 1956 wollte auch Wollweber laut Giesecke die körperliche Folter nicht mehr regelmäßig einsetzen und tausende politische Gefangene wurden freigelassen. Doch die Entstalinisierung war umstritten, sodass Ulbricht letztlich 1957 Erich Mielke zum Minister für Staatssicherheit ernannte.

2. Phase: Ausbau des (präventiven) Überwachungsapparates

Mielke setzte auf einen harten innenpolitischen Kurs, eine Vielzahl neuer Verhaftungen erfolgte. Doch neben der Verfolgung und Verhaftung Andersdenkender versuchte er die vorbeugende Überwachung solcher „politisch-ideologischen Diversion“ (PID) zu erweitern. Unter diesen „Tatbestand“ fielen ab sofort Wünsche wie Reisefreiheit oder Demokratie oder das Verlangen nach westlichen Konsumgütern oder westlicher Musik.

Nach dem Mauerbau und einer überbordenden Verhaftungswelle kam die Stasi unter den Druck ihre Existenz als Apparat mit fast 30.000 Mitarbeitern zu rechtfertigen. Doch eben durch die vorbeugenden Maßnahmen konnte Mielke die Stasi als „Aufpasser“ durchsetzen und den Personalstab bis 1985 auf 85.000 ausbauen. Mitte der 1970er hatte die Stasi zudem das höchste Kontingent an IMs (180.000-200.000) ihrer Geschichte, was den neuen Gefahren westlicher Einflüsse durch die Entspannungspolitik geschuldet war.

3. Phase: Weg in die Defensive

Mit dem Machtantritt Erich Honeckers verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage zunehmend und war bereits Anfang der 80er Jahre auch aus Sicht der SED alarmierend. Dissidenten beriefen sich seit 1975 auf die Schlussakte von Helsinki, in der auch die DDR die Menschenrechte anerkannt hatte. Die Stasi verhaftete weiterhin mehrere tausend Ausreise- und Fluchtwillige, die ihr Recht auf Ausreise einforderten. Gegen Devisen wurden Häftlinge in den Westen verkauft. Doch eine Lösung der sich zuspitzenden Lage hatte das MfS nicht. Zwar sollten „Zersetzungsmaßnahmen“ oppositionelles Verhalten unterdrücken, doch trotz dieses versteckten Psychoterrors wurde die innere Opposition größer. Im Herbst 1989 stand die Stasi den Protesten in der DDR regelrecht gelähmt gegenüber, da sie intern gespalten war. Im Dezember 1989 wurden die ersten Dienststellen von Bürgern besetzt und die Aktenvernichtung gestoppt. Eine Neuorganisation des Apparates als Amt für Nationale Sicherheit oder Verfassungsschutz der DDR fand keine Unterstützung mehr.

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