DDR-Geschichte

Der Weg zum Leistungssport in der DDR

Dieser Blogbeitrag behandelt die angewandten Methoden, die zu außergewöhnlichen sportlichen Erfolgen der DDR auf internationaler Ebene führten und zeigt thematische Objekte aus der Sammlung des DDR Museum. von Alexandra de León (24.07.2023)

Die herausragenden sportlichen Leistungen der DDR bleiben unvergessen. Die kleine Republik war stolz darauf, das Land mit den meisten olympischen Medaillen pro Kopf zu sein. Der besondere Stellenwert des Sports – und vor allem des Leistungssports – war kein zufälliger Erfolg. Dahinter steckte eine gezielte und systematische Talentsuche und Förderung unter dem wachsamen Auge des SED-Regimes. Die Regierung nutzte die internationalen sportlichen Erfolge, um die Überlegenheit des eigenen sozialistischen Systems zu demonstrieren.

Deutscher Turn- und Sportbund

Der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) war eine für den Sport zuständige Massenorganisation, die am 27./ 28. April 1957 gegründet wurde. Der Sportbund unterstand der Kontrolle des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und war in 15 Bezirksorganisationen gegliedert, die wiederum auf Kreis-, Stadt- und Stadtbezirksebene organisiert waren. Diese Struktur ermöglichte eine flächendeckende Präsenz sowie die Betreuung von Sportvereinen in ganz Ostdeutschland.

Die Bedeutung des Sports für die DDR-Gesellschaft manifestierte sich in den rund 3,7 Millionen Mitglieder*innen zum Ende des DTSB im Jahr 1989. Er bot der breiten Bevölkerung den kostengünstigen oder sogar kostenlosen Zugang zum Sport und diente gleichzeitig als Fundament für den Erfolg der DDR im internationalen Leistungssport.

Wimpel Deutscher Turn- und Sportbund (DTSB) in rot mit gold

DDR-Schulsport und die ESA

Der Sportunterricht an den Schulen in der DDR umfasste in der Regel zwei bis drei Wochenstunden und hatte einen hohen Stellenwert im Lehrplan. Auch an den Hochschulen und Universitäten war der Sportunterricht für alle Studierenden obligatorisch.

Um Talente für den Leistungssport im Schulsport bereits frühzeitig zu entdecken und systematisch zu fördern, verpflichteten sich Sportlehrer*innen zur Durchführung der Einheitlichen Sichtung und Auswahl (ESA). Mit dem Ziel, talentierte und sportlich begabte Kinder zu erkennen, wurde in den Klassenstufen 1, 3, 6 und 8 anhand definierter Merkmale und Eigenschaften ihre sportliche Leistung ermittelt und dokumentiert. Schüler*innen, die sich als besonders sportlich erwiesen, wurden – wenn ihre Noten es zuließen – in Trainingszentren der verschiedenen Sportarten auf die Aufnahme in Kinder- und Jugendsportschulen sowie Sportklubs (Leistungszentren) vorbereitet.

1 Paar blaue Hallensportschuhe aus Kunstfaser und Leinen mit weißer Gummisohle

Kinder- und Jugendspartakiaden in der DDR

Die Talentsuche beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Schulen. Das Konzept der Kinder- und Jugendspartakiade, das von der Sportführung der SED entwickelt worden war, umfasste eine Reihe von sportlichen Wettkämpfen und Veranstaltungen auf verschiedenen Ebenen. Die Kinder- und Jugendspartakiaden boten den jungen Sportler*innen die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Leistungen in verschiedenen Sportarten mit Gleichaltrigen zu messen. Ausgezeichnet wurden die Sieger*innen mit Gold-, Silber- und Bronzemedaillen. Diejenigen, die sich besonders auszeichneten, hatten die Möglichkeit, in spezialisierte Kinder- und Jugendsportschulen oder Sportklubs aufgenommen zu werden, wo sie eine intensive sportliche Ausbildung erhielten und für eine mögliche Karriere im Leistungssport trainiert wurden.

Blau, weiße Sporttasche aus Kunststoff mit Reißverschluss und Klettverschluss

Olympia und Spionage in der DDR

Das große Ziel, das durch die gezielte Förderung junger Talente im Leistungssport verfolgt wurde, war die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Die jungen Sportler*innen wurden intensiv trainiert und auf ihre potenzielle Teilnahme an diesem weltweit renommierten Sportereignis vorbereitet. Die gezielte Talentsuche und frühe Förderung vielversprechender Sportler*innen trug dazu bei, dass die kleine Republik in verschiedenen Sportarten und Disziplinen international durchaus konkurrenzfähig war. Ihre Athlet*innen gewannen zahlreiche Medaillen und stellten Weltrekorde auf, was den Ruhm und die Reputation der DDR im internationalen Sport stärkte.

Allerdings ist bekannt, dass die DDR in manchen Fällen mittels Sportspionage ihre Chancen auf einen sportlichen Erfolg erhöhte. Zum Beispiel wurden Sportler*innen aus anderen Ländern beobachtet und Informationen über ihre Trainingsmethoden und Leistungsniveaus gesammelt. Diese Praktiken wurden genutzt, um das eigene Training und die Wettkampfvorbereitung zu verbessern. Ein anderes bekanntes Beispiel von Sportspionage ist jenes von den DDR-Slalomkanut*innen. Der DDR-Trainer Werner Lempert überlistete das Sicherheitspersonal der Bundesrepublik und gelang so an die Maße ihres künstlichen Eiskanals. Auf den darauffolgenden Olympischen Spielen von 1972 in München konnten sich alle vier Wettbewerbe mit Gold sichern.

Blauer Trainingsanzug Olympiamannschaft DDR 1976

Doping im Sport der DDR

Wie weit die DDR-Regierung bereit war zu gehen, um durch die sportlichen Leistungen ihrer Athlet*innen die Überlegenheit des sozialistischen Systems der DDR zu beweisen, zeigt sich in den Dopingfällen, von denen auch Minderjährige betroffen waren.

Die jungen Talente, die in die Kinder- und Jugendsportschulen aufgenommen wurden, waren dort neben dem regulären Schulunterricht auch einem strengen Trainingsplan unterworfen. Und nur einige von ihnen schafften es, ihr Land auf der internationalen Bühne der Olympischen Spiele zu vertreten. Doch nicht nur diese wenigen Stars waren von illegalen und höchst gesundheitsschädlichen Dopingeinnahmen betroffen. Die leistungssteigernden Substanzen wurden ihnen oft unwissentlich verabreicht. Wer sich dessen bewusst war, hatte dennoch kaum eine Wahl. Denn wer das Dopingprogramm ablehnte, musste mit Benachteiligungen und sogar mit dem Ausschluss aus dem Sport rechnen. Unterstützt wurde das Dopingprogramm von verschiedenen staatlichen Institutionen wie dem Ministerium für Staatssicherheit, dem Staatlichen Komitee für Körperkultur und Sport sowie dem Sportmedizinischen Dienst. Manche Betroffene leiden bis heute physisch und psychisch unter den Folgen.

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