DDR-Geschichte

Erziehung und Ideologie in der DDR

In der DDR wurde die Erziehung von Kindern und Jugendlichen staatlich gelenkt. Die SED verfolgte dabei vor allem wirtschaftliche und ideologische Ziele. Welche Maßnahmen ergriffen wurden, um diese zu erreichen, behandeln wir in diesem Blog. (28.08.2023)

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) war die regierende Partei der DDR und verfolgte das Ziel, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen bzw. den Sozialismus zu festigen. Ein essentieller Hebel für die Erreichung des Ziels lag in der Einflussnahme auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Um die neuen Generationen frühzeitig mit den sozialistischen Werten in Kontakt zu bringen und sie zu Formen, spielte das Bildungssystem in der DDR eine tragende Rolle. Kindergärten, Schulen und Hochschulen sollten für alle Heranwachsende zugänglich sein, weshalb die allgemeine Bildung in der DDR für alle Bürger*innen (nahezu) kostenfrei war.

Kinderkrippen und Kindergärten in der DDR

In der DDR spielten Kinderkrippen (Säuglingsalter - 3 Jahre) und Kindergärten (3-6 Jahre) eine bedeutende Rolle im Rahmen der staatlichen Betreuungs- und Erziehungsstrategie, was auf die wirtschaftlichen und ideologischen Ziele des Staates zurückzuführen war. Die Republik sah sich einem chronischen Mangel an Arbeitskräften gegenüber und um die Arbeitskraftreserven im Land zu erhöhen, förderte die Regierung die Erwerbstätigkeit von Frauen. Die Betreuungseinrichtungen ermöglichten es Eltern, wieder in den Arbeitsprozess einzusteigen und so zur Wirtschaftskraft des Landes beizutragen. 

Dieses System hatte jedoch auch eine ideologische Dimension. Die DDR strebte nach einem starken Kollektivbewusstsein und sah die Erziehung der Kinder als Mittel zur Gestaltung einer sozialistischen Gesellschaft. Frühzeitige staatliche Einflussnahme auf die Erziehung sollte sicherstellen, dass die Kinder Werte und Normen des politischen Systems verinnerlichten. Die flächendeckende Etablierung von Betreuungsangeboten ab dem Säuglingsalter verhalf dem SED-Regime, ihre Bevölkerung von klein auf zu beeinflussen und zu formen. Sie verkörperte somit ein komplexes Zusammenspiel zwischen sozialen, wirtschaftlichen und ideologischen Zielen.

Krippenwagen

Abb.: Krippenwagen für Kinder 

Die Polytechnische Oberschule (POS)

Nach der Kinderkrippe und dem Kindergarten ging es in die Schule. Das Konzept der Einheitsschule war ein charakteristisches Merkmal des DDR-Bildungssystems.  Die Lehrpläne und Bildungsinhalte wurden vom Ministerium für Volksbildung kontrolliert und stark von der marxistisch-leninistischen Ideologie beeinflusst. Fächer wie Staatsbürgerkunde und marxistische Theorie waren verbindlich.

Die Polytechnischen Oberschulen (POS) zeigten vergleichsweise Schwächen hinsichtlich der Beherrschung von Fremdsprachen bei Schüler*innen. Stattdessen lag der Schwerpunkt auf technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern sowie auf dem praxisorientierten polytechnischen Unterricht. Dieser Unterricht zielte darauf ab, die Schüler*innen auf das Berufsleben vorzubereiten und umfasste Fächer wie »Einführung in die sozialistische Produktion« (ESP) und »Produktive Arbeit« (PA), die Einblicke in den Arbeitsalltag bieten sollten. Ein regelmäßiger Einsatz in Betrieben war ein Bestandteil dieses Ansatzes. Diese Betonung des praktischen Trainings hatte ihre Wurzeln u. a. ebenfalls in der Notwendigkeit, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und den technologischen Rückstand des Landes aufzuholen.

Die POS erstreckte sich über 10 Jahre und entsprach somit der allgemeinen Schulpflicht. In den ersten vier Jahren lag der Schwerpunkt auf einer gemeinsamen Grundbildung. Ab der 9. Klasse erfolgte eine stärkere Differenzierung, bei der die Schüler*innen auf verschiedene Bildungswege aufgeteilt wurden. Abhängig von ihren individuellen Fähigkeiten gingen sie entweder auf die zehnklassige Berufsschule, um sich auf eine berufliche Laufbahn vorzubereiten oder auf die erweiterte Oberschule (EOS), um eine weiterführende akademische Ausbildung zu absolvieren.

Stempel zur Kontrolle der Hausaufgaben

Abb.: Holzstempel zur Kommentierung der Hausaufgaben

Die Machtposition der FDJ 

Wer gerne auf die Universität wollte, sollte neben dem guten Abitur auch FDJ-Mitglied sein und eine saubere Kaderakte haben. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) war die Jugendorganisation der DDR und hatte eine bedeutende Rolle in der Erziehung der Jugendlichen. Sie war eng mit der SED verbunden und sollte junge Menschen zu aktiven Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft erziehen. Sie diente nicht nur als soziales Netzwerk, sondern auch als Mittel zur Auswahl von engagierten und ideologisch orientierten Heranwachsenden für weiterführende Bildungseinrichtungen. Die Mitgliedschaft wurde von den Behörden als Zeichen des Engagements für den sozialistischen Staat und die Ideale des Kollektivs angesehen, was bei der Zulassung zur Universität von Bedeutung war.

Obwohl die FDJ formal eine überparteiliche Jugendorganisation war und auch christliche junge Menschen vertreten wollte, galt sie gleichzeitig als »Kaderreserve der Partei«, also der SED, die sich ausdrücklich zum Atheismus bekannte.

Die Jugendlichen wurden ermutigt, sich als Teil einer größeren Gemeinschaft zu sehen und für das Wohl des Kollektivs zu arbeiten. Dies spiegelte sich in verschiedenen Aktivitäten wider, von gemeinsamen Arbeitsprojekten bis hin zur Teilnahme an politischen Veranstaltungen. Beispielsweise zielte die Aktion »Ochsenkopf« aus den 1960er-Jahren darauf ab, westlich ausgerichtete Fernsehantennen zu entfernen. Die enge Verbindung zwischen der FDJ und der SED zeigte sich auf vielfältigste Weise während des Bestehens der Massenorganisation. Die Mitgliedschaft in der Jugendorganisation konnte den Weg zur Universität ebnen oder blockieren. In den späteren Jahren war es faktisch unmöglich, ohne die Mitgliedschaft in der FDJ das Abitur abzulegen und zu studieren. Einige wenige kirchliche Einrichtungen bildeten die Ausnahme. Deren Abschluss berechtigte allerdings nur zum Studium der Theologie.

Blaues FDJ-Hemd

 Abb.: FDJ-Hemd mit Klappkragen, Schulterklappen und Brusttaschen aus blauem Baumwollstoff in der Größe 37

Ideologie und Militärdienst für Studierende

»Gesellschaftliche Aktivitäten« im Sinne von Partei und Staat waren bei der Bewerbung um einen Studienplatz eine unumgängliche Voraussetzung. Die FDJ-Mitgliedschaft galt als selbstverständlich, der Eintritt in die SED erhöhte die Chancen weiter. Ebenso förderlich war eine »freiwillige« Verpflichtung zum dreijährigen Dienst in der Nationalen Volksarmee. Lediglich bei den Student*innen der Theologie akzeptierte man Ausnahmen. Hatte das Studium begonnen, kam zu der fachwissenschaftlichen Ausbildung verpflichtend für alle das Fach Marxismus-Leninismus hinzu. Zudem absolvierten alle männlichen Studenten ein vierwöchiges Militärlager. Die Männer mit ärztlich attestierten Einschränkungen sowie die Frauen durchliefen ein ebenso langes Zivilverteidigungslager.

Wehrdienst Ehrendienst Broschüre

Abb.: Broschüre »NVA in Wort und Bild – Wehrdienst – Ehrendienst«, herausgegeben vom Militärverlag der DDR, 1976

Förderung von Naturwissenschaften und Technik in der DDR

Im gesamten Bildungssystem der DDR standen neben der ideologischen Ausrichtung die technischen und  mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer im Vordergrund. Gerade Ingenieur*innen, Techniker*innen und Fachkräfte in den Naturwissenschaften waren dringend notwendig, um die Ziele der Optimierung von Produktionsprozessen und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von kapitalistischen Ländern zu verfolgen. Die Fähigkeit, eigene Produkte zu entwickeln und herzustellen, war ein Schlüsselaspekt der sozialistischen Wirtschaftsstruktur.

Doch die Bedeutung dieser Studiengänge erstreckte sich auch auf der ideologischen Ebene. Sie spielten eine Rolle bei der Bildung des »sozialistischen Menschen«, der nicht nur über technisches Wissen verfügte, sondern auch die Werte und Ideale des sozialistischen Staates verinnerlicht haben sollte. Die Absolvent*innen sollten nicht nur fachlich qualifiziert sein, sondern auch moralisch und politisch engagiert, um aktiv zur Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaft beizutragen.

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