Die Friedenstaube war eines der am häufigsten gebrauchten politischen Symbole in der DDR. So verwunderlich es angesichts der Kirchenfeindlichkeit der SED auch klingen mag, geht die Friedenstaube auf eine biblische Legende zurück. Als Noah auf seiner Arche während der Sintflut vergeblich nach Land Ausschau hielt, schickte er eine Taube los. Sie kehrte nach dem ersten Versuch ergebnislos zurück. Nach dem zweiten trug sie einen Ölzweig im Schnabel. Sie hatte also Land gesichtet. Nachdem die Taube ein drittes Mal losflog, kehrte sie nicht mehr zurück. Die Wasser begannen sich zu verlaufen und bald schon landete die Arche Noahs auf trockenem Grund. Die Taube war fortan das Symbol der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen.
Als 1949 in Paris ein Kongress der Weltfriedensbewegung vorbereitet wurde, besuchte einer der Organisatoren, der Schriftsteller Louis Aragon, seinen Freund Pablo Picasso. In dessen Atelier sah er die Zeichnung einer Taube, die der Künstler kurz zuvor geschenkt bekommen hatte. Aragon hatte die geniale Eingebung, die weiße Taube Picassos zum Logo des Internationalen Friedenskongresses zu machen.
Der von der Sowjetunion gelenkten Weltfriedensbewegung ging es darum, Überparteilichkeit und Unabhängigkeit zu signalisieren. Ein christliches Symbol kam ihr dabei gerade recht. So flatterte das alttestamentarische Federvieh über Jahrzehnte hinweg durch die Bilderwelt der atheistischen DDR.
Ein Plakat der Taube war auch der Anstoß für die Kindergärtnerin Erika Schirmer aus Nordhausen, das bekannte Lied von der »Kleinen weißen Friedenstaube« zu dichten und zu komponieren. Die einfache Melodie und der schlichte Text machten das Lied für eine ganze Generation zum Ohrwurm. Wohl kein anderes Lied wurde in der DDR so unermüdlich gesungen und Frieden war jedes zweite Wort in dem bis an die Zähne bewaffneten Staat. Auch die 1987 im Nikolaiviertel angebrachte Inschrift »Berlin – Stadt des Friedens« passte wenig zu dem Stacheldraht und dem Todesstreifen, mit denen die DDR ihre Bevölkerung am Weglaufen hinderte. Die DDR-Propaganda sah keinen Widerspruch zwischen den Todesschüssen an der Grenze und der Bezeichnung »Stadt des Friedens« für Berlin, wurde doch nach offizieller Lesart am 13. August 1961 mit dem Mauerbau der Frieden gerettet.
Die Friedensrhetorik stand im krassen Widerspruch zur Realität einer total militarisierten Gesellschaft. Gerade deshalb reagierte das SED-Regime nervös, als sich unter dem Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« die unabhängige Friedensbewegung formierte. Die Friedensgruppen wurden zur Keimzelle der Bewegung, die im Herbst 1989 zur Friedlichen Revolution und zur gewaltlosen Wiedervereinigung führte. Dadurch bekam die Inschrift an der Hauswand im Nikolaiviertel einen neuen und aktuellen Sinn.
Anmerkung der Redaktion: Der Blogbeitrag erschien erstmals am 8.11.2017.