Was bleibt von der DDR?

Altes Stadthaus

Der Rundgang auf den Spuren von DDR-Relikten hat uns ausgehend vom Marstall in die Breite Straße bis zum Buchstabenportal der ehemaligen Stadtbibliothek geführt. Geht man von dort weiter bis zum Mühlendamm, einer Brücke über die Spree, sieht man von Weitem den hohen Turm des Alten Stadthauses, den früheren Sitz des Ministerrates der DDR.
von Dr. Stefan Wolle (29.11.2017)

Riesenhaus

Bei der Suche nach Überresten der DDR-Zeit gilt es, auch die verborgenen Spuren zu beachten. Dazu bietet sich das Alte Stadthaus an, wo von 1960 bis 1990 die Regierung der DDR residierte. Man nähert sich dem monumentalen Gebäude mit dem 101 Meter hohem Turm über den Molkenmarkt. Der einstige Markt ist seit den Umbauten der DDR-Zeit eigentlich nur eine riesige Kreuzung. Vertieft man sich dort in den Anblick der grauen Muschelkalkfassade, muss man vor allem darauf achten nicht von einem der dort vorbei rasenden Autos erfasst zu werden. Der Ort ist gelinde gesagt etwas unwirtlich und das Riesenhaus mit dem runden Turm trägt nicht dazu bei den Platz anheimelnder zu machen. Schließlich war es von Anfang an ein Verwaltungsbau, der Würde und Macht repräsentieren sollte. Das Gebäude wurde zwischen 1902 und 1911 für die Berliner Magistrat errichtet. Im Krieg wurde es stark beschädigt, so dass es nur teilweise genutzt werden konnte. Bald schon begann der Wiederaufbau. Die Verwaltung braucht in allen Systemen viel Raum.

Sitz des Ministerpräsidenten

Bereits im Herbst 1955 zog der Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, in das Haus ein. Zuvor fanden Umbauarbeiten statt, um den Ansprüchen des Regierungschefs und dessen Büroleitung gerecht zu werden. Dazu zählten die Einrichtungen der verschiedenen Dienstzimmer, die schon früher geplante Aufstockung um das vierte Obergeschoss, Neuordnung der Treppenhäuser, Belüftungsanlagen und elektrische Einrichtungen. Gänge und Flure erhielten lange rote Teppiche. Auch der Festsaal wurde erheblich verändert. Er fasste nach dem Umbau nur noch 300 statt wie bisher 1.500 Personen. Außerdem brachten Bauarbeiter neue hölzerne Wandelemente an und unter die Gewölbe wurden Zwischendecken gehängt. Dabei gingen auch prunkvolle Kandelaber, bronzene Portalgitter und der Marmorfußboden verloren. Die von Georg Wrba geschaffene Bärenskulptur wurde 1959 im Tierpark Friedrichsfelde aufgestellt. Auch die Fortuna-Statue fiel dem Umbau zum Opfer. Schon bei den ersten Rekonstruktionsmaßnahmen 1951 entfernte man sie und ersetzte sie durch eine 13 Meter hohe Rundfunkantenne. Nach der Inbetriebnahme des Fernsehturms 1969 wurde diese wiederum gegen eine DDR-Flagge ausgewechselt. Die Fortuna war bis in die 1960er Jahre in der Kuppel eingelagert, danach wurde sie eingeschmolzen.

Flecken der Vergangenheit

An die folgenden drei Jahrzehnte des Hauses als Regierungssitz erinnert eigentlich nur ein großer und unregelmäßiger dunkelgrauer Fleck in der Mitte der dreieckigen Supraporte über dem Säulenportal. Dort befand sich von 1961 bis 1990 das Staatswappen der DDR. Nach der Wiedervereinigung setzte eine eilfertige Geschichtstilgung ein. In manchen Ratssälen, Institutionen und Behörden der Neuen Bundesländer sah man lange Zeit solche Flecken an der Stirnseite der Räumlichkeiten. Die hellen Stellen an den Wänden, wo bisher die Porträts von Erich Honecker gehangen hatten, waren durch ein größeres Bild leichter zu kaschieren. Die Flecken an den Außenfassaden mussten bis zur nächsten Grundsanierung warten, und wo diese nicht stattfand, sieht man bis heute die Umrisse der alten Machtsymbole. So war es auch an der Fassade des Auswärtigen Amtes, wo bis zum Bau des neuen Gebäudeteils die Umrisse des SED-Symbols zu sehen waren. Man achte also auf die grauen Flecken, wenn man sich auf die Spurensuche begibt. 

Nachwendegeschichte

Den  einzigen historischen Höhepunkt erlebte das Gebäude in der Spätphase der DDR, als die letzte DDR-Regierung hier ihren Amtssitz bezog. Hier wurden die Konditionen des Einigungsvertrags ausgehandelt. Nach der Wiedervereinigung begannen die Sanierungsarbeiten. Das Prunkstück des Stadthauses, die im Tierpark Friedrichsfelde stehende Bärenstatue, wurde nach einem komplizierten Transport wieder ins Stadthaus zurückgebracht und am 18. Juni 2001 neu eingeweiht. Die neu hergestellte, 300 Kilogramm schwere Fortuna-Figur wurde am 2. September 2004 per Großkran auf die Kuppel gesetzt.  Heute residiert in dem Stadthaus die Senatsverwaltung für Inneres, das Landesdenkmalamt und der Verfassungsschutz. 

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