Es gibt nur wenige Gebiete in Europa, in denen die Widersprüche zwischen eindrucksvollen Erholungslandschaften und den Folgen einer weitgehenden Deindustrialisierung so offen zutage treten wie in den ehemaligen Braunkohletagebaugebieten der DDR als vormals größtem Braunkohleförderer der Welt.
Diese „Eisenzeit“ ist zu Ende, ohne dass die Kohle in unserer heutigen Welt ihren Platz verloren hat. Gleichzeitig bedeutet das „Aufhören des Erdbebens“ eine neue Chance für Mensch und Natur. Der Braunkohlebergbau von heute wird weniger „verheizte Heimat“ hinterlassen, als dies zu DDR-Zeiten eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit war. Die persönliche, zumeist industriell geprägte Vergangenheit lässt aber nur langsam kritischen Abstand zum ehemaligen Arbeitsplatz rund um die Kohle zu.
Um aber grundsätzlich neue Möglichkeiten der Revitalisierung einer durch den Braunkohlebergbau veränderten Landschaft zu finden, bedarf es der Umsetzung kreativer und phantasievoller Nutzungskonzepte, die gestörte Landschaften nicht einfach nur reparieren wollen, sondern sie als grundlegende Chance für neue gestalterische, ökologische und ökonomische Entwicklungen begreifen. Es werden Strukturen und Ideen gebraucht, die diese Konzepte auch gegen Widerstände entwickeln helfen.
Im Rahmen eines Lehrauftrages unseres Sammlungsleiters waren diese Ansätze Gegenstand der dreitägigen Exkursionen „Industriekultur - Strukturwandel im Mitteldeutschen Industrierevier“ für die TU Berlin im Studiengang Kultur und Technik und gleichzeitig ein Beitrag zur SOmmerAKAdemie (SOmAK) der Kulturstiftung Hohenmölsen, der kürzlich publiziert wurde. Jenseits der hauptberuflichen Aufgaben als Sammlungsleiter am DDR Museum sollten einer interessierten Fachöffentlichkeit wie den Studierenden der TU Berlin Fragen zu Industriekultur, dem Strukturwandel sowie der Nachnutzung in Bezug auf den Braunkohlebergbau im Mitteldeutschen Industrierevier nahe gebracht werden. Ganze Industriezweige wie die Carbochemie oder der Waggonbau verschwanden, andere wie das Automobil- und Logistikcluster im Norden Leipzigs sind völlig neu entstanden.
Die SOMAK hingegen versteht sich als Fortbildungsangebot für den interdisziplinären, wissenschaftlichen Nachwuchs. Mit einer Kombination aus Vorträgen der Teilnehmer und einer Exkursion durch das mitteldeutsche Braunkohlerevier werden in drei Tagen innovative Ansätze zu Zukunftschancen und Problemfeldern vorgestellt und diskutiert. Dabei sollen Lebensperspektiven zwischen Heimat, Arbeit, Struktur- und Landschaftswandel aufgezeigt werden. Das mögliche Themenspektrum reicht hier von wirtschaftlichen Entwicklungen unter Einbindung von Braunkohleindustrie und Energiewende über die Verbindung „gewachsener“ Kulturlandschaften mit den „Landschaften nach der Kohle“ bis zu Auswirkungen des demografischen Wandels, Geotourismus und dem Bereich der Industriekultur. Auch 2016 soll wieder eine Sommerakademie stattfinden.
Quelle:
Marotz, Sören: Vom Kohlestrom zum Besucherstrom - Industriekultur-Exkursionen ins Mitteldeutsche Industrierevier: in: Kulturstiftung Hohenmölsen (Hrsg.): Brauchst Du Kohle? 11. Sommerakademie 2014. Hohenmölsen 2015.