Die Wohnraumfibel – Wohnen nach Wunsch zu DDR-Zeiten

„Wir sind soweit - Die eigene Wohnung so einzurichten, dass sie allen praktischen Bedürfnissen der Familie im Rahmen der gegeben Möglichkeiten gerecht wird, dass sich alle einzelnen Bereiche übersichtlich dem Ganzen einfügen, dass nirgends das Gefühl der Beengtheit entstehen kann, sondern überall genügend Bewegungsfreiheit, und da, wo es nötig ist, sogar eine gewisse Weiträumigkeit gewahrt bleibt, dass sie schließlich in der Anordnung aller Teile und in der farblichen Abstimmung ein harmonisches und gefälliges Bild ergibt, all das verlangt außer langer und gründlicher Überlegung und zielbewusster Planung ein gutes Maß echter schöpferischer Arbeit. All die fertiggekauften und selbst hergestellten Gegenstände, von Möbeln, bis zu den Bildern, sind für den, der sie zum Rahmen seines häuslichen Lebens machen will, ebenso viele Bausteine, aus denen er ein Abbild seiner selbst, seiner Familie, seiner Neigung und seines Geschmacks formt. Es wird zugleich zum Abbild der Gesellschaft werden, in der er lebt und die ihn geformt hat. Die Mühe, die er an dieses Unternehmen gewendet hat, wird ihm vielfach vergolten, denn ihr Ergebnis - seine Wohnung - strahlt auf ihn zurück. Sie trägt dazu bei, ihm und den Seinen das Leben schön und angenehm zu machen. Sie gibt ihm Ruhe und Sammlung und verleiht ihm damit Kraft und Sicherheit, die er braucht, um sie täglich aufs neue einzusetzen beim Bau unserer gemeinsamen großen Wohnung, unserer sozialistischen Heimat, der Deutschen Demokratischen Republik, um das Leben friedlich und glücklich zu gestalten." Mit diesem Nachwort endet das Buch, welches ich letztens beim Aufräumen meines Bücherschranks entdeckte. Neugierig blätterte ich in dem Exemplar der 1972 im VEB Verlag für Bauwesen (Berlin) erschienenen „Wohnraumfiebel" und ich entschied mich dafür, es mit zur Arbeit zur nehmen und dem Museum zu spenden.
(16.08.2011)

„Wir sind soweit - Die eigene Wohnung so einzurichten, dass sie allen praktischen Bedürfnissen der Familie im Rahmen der gegeben Möglichkeiten gerecht wird, dass sich alle einzelnen Bereiche übersichtlich dem Ganzen einfügen, dass nirgends das Gefühl der Beengtheit entstehen kann, sondern überall genügend Bewegungsfreiheit, und da, wo es nötig ist, sogar eine gewisse Weiträumigkeit gewahrt bleibt, dass sie schließlich in der Anordnung aller Teile und in der farblichen Abstimmung ein harmonisches und gefälliges Bild ergibt, all das verlangt außer langer und gründlicher Überlegung und zielbewusster Planung ein gutes Maß echter schöpferischer Arbeit. All die fertiggekauften und selbst hergestellten Gegenstände, von Möbeln, bis zu den Bildern, sind für den, der sie zum Rahmen seines häuslichen Lebens machen will, ebenso viele Bausteine, aus denen er ein Abbild seiner selbst, seiner Familie, seiner Neigung und seines Geschmacks formt. Es wird zugleich zum Abbild der Gesellschaft werden, in der er lebt und die ihn geformt hat. Die Mühe, die er an dieses Unternehmen gewendet hat, wird ihm vielfach vergolten, denn ihr Ergebnis - seine Wohnung - strahlt auf ihn zurück. Sie trägt dazu bei, ihm und den Seinen das Leben schön und angenehm zu machen. Sie gibt ihm Ruhe und Sammlung und verleiht ihm damit Kraft und Sicherheit, die er braucht, um sie täglich aufs neue einzusetzen beim Bau unserer gemeinsamen großen Wohnung, unserer sozialistischen Heimat, der Deutschen Demokratischen Republik, um das Leben friedlich und glücklich zu gestalten."

Mit diesem Nachwort endet das Buch, welches ich letztens beim Aufräumen meines Bücherschranks entdeckte. Neugierig blätterte ich in dem Exemplar der 1972 im VEB Verlag für Bauwesen (Berlin) erschienenen „Wohnraumfiebel" und ich entschied mich dafür, es mit zur Arbeit zur nehmen und dem Museum zu spenden.

Der Architekt Georg Waterstradt beschreibt das Buch in seinem Vorwort als „Ein Buch für jeden, der aus seinen vier Wänden eine behagliche Wohnung machen will, der nicht weiß, wohin mit den Siebensachen, der lernen möchte zu unterscheiden zwischen Schein und Sein und zwischen unmodern und modern." Laut Waterstradt erschien dieses Buch „auf Grund zahlreicher Anregungen unserer Bevölkerung nach besserer und zweckmäßigerer Einrichtung unserer Alt- und Neubauwohnungen."

Die Wohnraumfibel gibt einen interessanten Einblick in die Möglichkeiten der Wohnungsgestaltung in der DDR und spiegelt den Stil der 70er Jahre wieder.
In detaillierten Beschreibungen erklärt das Buch, wie man zweckmäßig eine Neubauwohnung einrichtet und welche Möbel bzw. Möbelserien der einzelnen VEB dafür zur Verfügung stehen.
Viele Zeichnungen, Beschreibungen, Anleitungen und Rechnungen geben dem Leser Inspirationen für eine Selbstgestaltung von Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen.
Beim Lesen des Buches wird deutlich, dass eine Individualität bei der Wohnungsgestaltung durch selbstkreierte Gegenstände erreicht werden sollte, da die grundlegenden Elemente, z.B. Schrankwände, Sofas oder Küchenmöbel, einheitlich produziert und verwendet wurden.

Die Betrachtung der im Buch abgebildeten Wohnungsbeispiele macht deutlich, welche Einrichtung damals als modern erachtet und empfohlen wurde - heute werden diese Einrichtungsgegenstände häufig unter dem Begriff „retro" beworden und erleben als „Oldschool-Mobiliar" ihr Revival.

Bevor ich das Buch an die Sammlungsleiterin übergab habe ich die Gelegenheit genutzt, die Inhalte des Buches mit der Einrichtung in unserer Ausstellung „Alltag eines vergangenen Staates zum Anfassen" zu vergleichen. Da die Ausstellung eine Nachbildung einer 70er Jahre Neubauwohnung beeinhaltet, konnte ich die Einrichtungsempfehlungen realistisch nachempfinden und viele Parallelen entdecken.
Auch das Wohnungs-Diorama in der Schublade lieferte eine beeindruckend detailgetreue Visualisierung der im Buch beschriebenen Einrichtungsrichtlinien und Empfehlungen.

Durch meine Begegnung mit der Wohnraumfibel und die Auseinandersetzung mit dem Thema „Wohraumgestaltung und Einrichtungsdesign in der ehemaligen DDR" wurde mir erneut bewusst, welche begrenzten Möglichkeiten den Bewohnern der ehemaligen DDR zur Verfügung standen und welches Improvisationstalent und handwerkliche Fähigkeiten aufgewendet wurden, um eine Wohnung ein- und herzurichten. Durch die aufwendige Materialbeschaffung und durch die mit der Einrichtung verbundenen Mühen entstand oft eine besondere Wertschätzung gegenüber dem eigenen Wohnraum und dem Mobiliar. Diese begegnet mir auch heute bei meiner täglichen Arbeit, wenn uns Spenden angeboten und Lebensgeschichten bei der Übergabe anvertraut werden. Mir fällt es schon schwer, dieses interessante Buch aus der Hand zu geben - wie fühlt es sich da bei Möbelstücken oder Einrichtungsgegenständen an, die den Besitzer/ die Besitzern viele Mühen gekostet und jahrelang begleitet haben?

Leider ist unser Lagerplatz begrenzt und wir können nicht mehr alles annehmen, was häufig zu Enttäuschungen bei den Spendenanbietern führt (eine Liste der Objekte, die wir noch annehmen finden sie hier).
Ich habe Glück - Meine Kollegin hat einen adäquaten Platz für „Die Wohnraumfibel" gefunden und nun wird das Buch in die Sammlung integriert.

Die Wertschätzung einer Wohnung und Ihrer Einrichtung sowie der gewissenhafte Einsatz bei der Wohnungsgestaltung liegen auch darin begründet, dass es in der DDR einen exorbitanten Wohnraummangel gab. „Wohnungsprobleme waren im DDR-Alltag stets das >>Thema Nummer eins<<", schreibt Stefan Wolle (wissenschaftl. Leiter im DDR Museum) in seinem Buch „Die Heile Welt der Diktatur".

Doch sind diejenigen Bürger/innen der ehemaligen DDR, die in die glückliche Lage kamen eine Wohnung zu beziehen, den Empfehlungen und Anleitungen der Wohnraumfibel überhaupt gefolgt und wurden die Wohnungen tatsächlich nach diesen Vorschlägen eingerichtet? Wie sahen die Neubauwohnungen tatsächlich aus?

Um mir einen Eindruck zu verschaffen, wie damals gewohnt und gelebt wurde habe ich das Buch „So haben wir uns eingerichtet" zur Hand genommen. Das „DDR-Zuhause-Buch" widmet sich den Einrichtungen mit Montage-Schrankwand, Durchreiche und Wohnküche bis zur Datsche. Der Bildband mit zahlreichen Fotos und Zeitzeugenberichten hat mir einen lebhaften Eindruck davon vermittelt, wie Wohnungen in der DDR ausgesehen haben.
Und tatsächlich; bei einigen Wohnungen lassen sich Parallelen zu den Empfehlungen aus der Wohnraumfibel entdecken.
So sehr sich die Wohnungen im Grundriss und in der Grundausstattung doch ähnelten, so unterschiedlich wurde versucht der Einrichtung eine individuelle Note zu verleihen (z.B. durch Auswahl verschiedener Stoffe oder Dekoration), was mich zu dem Gedanken führt:
So ähnlich sich die Menschen auch sind, sie sind doch stets einmalige Individuen und keine Massenprodukte.



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