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Stilles Gedenken mit Folgen – „Das schweigende Klassenzimmer“

Am 20. Februar 2018 feierte der Film „Das schweigende Klassenzimmer“ Weltpremiere auf der Berlinale. Seit dem 01. März können sich Zuschauerinnen und Zuschauer den Spielfilm über eine Klasse ansehen, die wegen einer Schweigeminute in Gedenken an die Opfer des Ungarnaufstands 1956 vom Abitur ausgeschlossen wurde. von Vanessa Jasmin Lemke (08.03.2018)

Historischer Hintergrund

Die 1950er Jahre waren Zeiten des Aufbegehrens, Umbruchs und der Enttäuschung für viele Bürgerinnen und Bürger des Ostblocks. Nach Stalins Tod im März 1953 erhofften sich Viele ein Ende der starken Kontrolle aus Moskau und eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Doch schon im Juni 1953 griff die Sowjetunion mit Härte gegen die Protestierenden in Ost-Berlin durch, die ihre Unzufriedenheit über wachsende soziale Probleme sowie die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im friedlichen Protest äußerten. Drei Jahre später, im Herbst 1956, sollten sich ähnliche Ereignisse in Ungarn wiederholen. Der ungarische Volksaufstand erhob sich gegen die Regierung der kommunistischen Partei sowie die sowjetischen Besatzer und wurde erneut blutig niedergeschlagen.

Protest, Zusammenhalt und Angst

Nachdem die Abiturenten Theo und Kurt in einem Westberliner Kino die Bilder aus Ungarn sehen wird ihnen die unterschiedliche Berichterstattung über die Ereignisse in Ost und West bewusst. Die Falschmeldung des RIAS über den Tod des Fußball-Stars Ferenc Puskás veranlasst die gesamte Klasse dazu, den Opfern eine Schweigeminute am Anfang des Geschichtsunterrichts zu widmen. Der vom Kommunismus überzeugte Erik schließt sich an, gibt aber dem Druck des Lehrers nach und gesteht, dass es sich um einen Protest handelt. Der Vorfall wird dem Rektor gemeldet, der ihn nicht publik machen möchte. Durch Zufall erfährt jedoch die Kreisschulrätin davon und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Die Solidaritätsbekundung mit den protestierenden Ungarn wurde von der DDR-Staatsführung als unerwünschter politischer Protest angesehen. Der Zusammenhalt der Klasse, die sich der Brisanz und der möglichen Konsequenzen immer bewusster wird, führt dazu, dass der Vorfall zur Staatsangelegenheit wird. Der Druck des Volksbildungsministers und der Kreisschulrätin auf einzelne Schüler und ihre Familien erhöht sich – Am Ende holt die Angst den Einzelnen ein.

Bildrechte:  Akzente Film & Fernsehproduktion in Koproduktion mit dem ZDF, Zero One Film und STUDIOCANAL Film

Der Regisseur und Drehbuchautor Lars Kraume lässt „Das schweigende Klassenzimmer“ in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt, spielen. Bis heute stehen dort große Teile der am Reißbrett geplanten DDR-Industriestadt und bieten Filmschaffenden weltweit eine einzigartige Kulisse für historische Filme. Der Film basiert auf der Geschichte einer Abiturklasse in Storkow (Brandenburg). Nachdem sie vom Abitur in der gesamten DDR ausgeschlossen wurde flüchteten viele Schülerinnen und Schüler nach Westdeutschland und absolvierten dort ihren Abschluss.

Der Film behandelt auch Themen wie Religiosität und Homosexualität und geht auf das Wirken der Elterngeneration der Abiturienten im Dritten Reich oder bei den Protesten 1953 ein. Sowohl die Handlung als auch die Figuren gewinnen dadurch an Vielschichtigkeit. Am Beispiel der verschiedenen Schicksale und Hintergründe des Einzelnen wird gezeigt, wie willkürlich die geplanten Bestrafungen sind. So wird deutlich, dass die Nähe zur Partei dabei eine bedeutende Rolle spielt. 

Einzig die Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen Kurt, Theo und der Mitschülerin Lena wirkt trotz der guten Besetzung des Films recht deplatziert und treibt die eigentliche Handlung nicht voran. Nichtsdestotrotz ist „Das schweigende Klassenzimmer“ ein sehr empfehlenswerter Film über die frühe DDR, der aufzeigt, wie unsicher der Staat war und wie stark er Druck auf diejenigen ausübte, die Kritik an ihm oder der Sowjetunion ausübten. 

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