DDR-Geschichte

»Lob des Kommunismus«

Das Werk »Lob des Kommunismus« von Ronald Paris hat bereits für einige öffentliche Diskussionen gesorgt. Dieser Blogbeitrag taucht tiefer in die Thematik der monumentalen Arbeit ein, die seit 2010 im DDR Museum besichtigt werden kann. (07.08.2023)

Entstehung und Hintergrund von Ronald Paris' Gemälde

In der DDR spielte die baugebundene Kunst eine wichtige Rolle. Nachdem sich die sozialistische Architektur seit 1956 von den neoklassizistischen Prunkbauten a la Stalinallee verabschiedet hatte, wendete sie sich vorbehaltlos dem vom Funktionalismus geprägten internationalen Trend der Bauhaustradition zu.
Doch die sozialistischen Stadtzentren, die seit Anfang der sechziger Jahre in Berlin und den Bezirkshauptstädten konzipiert wurden, sollten anders aussehen als die Metropolen des Kapitals. Neben der großflächigen Planung der Verkehrsströme, der Schaffung breiter Magistralen, die durch eine gesamtstaatliche Planung möglich machten, sollten die Kunstwerke das eigentlich Charakteristische sein. Das Europa-Center in West-Berlin und das 1969 fertiggestellte Hotel Stadt Berlin unterschieden sich in ihrer Schuhkartonarchitektur kaum, doch wenn auf dem Europa-Center am Zoo ein riesiger Mercedes-Stern leuchtete so sollten die neuen Zentren der sozialistischen Städte durch Wandgemälde, Mosaike, Brunnenanlagen und andere Kunstwerke sozialistischen Inhalts verschönert werden. Gerade der Berliner Alexanderplatz, der in den Jahren von 1962 bis 1971 seine Gestalt erhielt, ist eine Art Museum dieser Baupolitik (Haus des Lehrers, Haus des Reisens, Ministerium für Bauwesen u. a. m.).
Ungewöhnlich ist das »Lob des Kommunismus« nur insofern, als das es im Inneren des Gebäudes des Amtes für Statistik seinen Platz erhielt und öffentlich nicht zugänglich war. Das Gemälde entstand um 1968 und wurde 1969 enthüllt. Im Vorfeld kam es laut Paris zu kritischen Stellungnahmen der zuständigen SED-Instanzen, die sich durch das Kunstwerk offenbar provoziert fühlten. Da das Gemälde im Beratungsraum der Statistikbehörde installiert wurde, hat aber dazu geführt, dass es schließlich akzeptiert wurde.

»Lob des Kommunismus« von Ronald Paris im Haus der Statistik

Abb.: Das Werk »Lob des Kommunismus« von Ronald Paris im Haus der Statistik

Beschreibung des »Lob des Kommunismus«

Das Gemälde entfaltet das gesamte Bildprogramm der kommunistischen Utopie. Die einzelnen Elemente dieser Ikonographie tauchen in der Kunst aber auch in der politischen Propaganda jener Jahre ständig auf, sind aber selten so streng strukturiert.
Das Werk ist dreigeteilt, wie eine mittelalterliche Darstellung des Jüngsten Gerichts, welches in der Offenbarung des Johannes (Apokalypse), dem letzten Buch des Neuen Testaments, ausführlich geschildert wird. Am Tage des Gerichts vollzieht sich der Endkampf zwischen den Mächten der Hölle und den himmlischen Heerscharen. Der Kampf zwischen Gut und Böse. Auf der einen Seite steht in der Regel der Höllensturz der Bösen, dem die Teufel mit ihren Spießen kräftig nachhelfen. Auf der anderen Seite die Erlösung der Guten, die von den Engeln in das himmlische Jerusalem geleitet werden. Über allem thront segnend und strafend Christus Pantokator, der Richter und Allherrscher.

Die zentrale Position des Erlösers (Salvator Mundi) in Paris' Werk nehmen fünf Rotarmisten und eine stark in den Hintergrund abgedrängte Frau ein, sozusagen ein Erlöserkollektiv. Eine Figur ist als Kämpfer aus Budjonnijs Roter Reiterarmee kostümiert, ein anderer als ein Angehöriger der Volksmarinedivision, die in den revolutionären Kämpfen vom November 1918 bis zum Januar 1919 in Berlin eine wichtige Rolle spielten. Die zentrale Figur ist mit Patronengürteln und einem Karabiner ausgestattet. Die Rolle der Gewalt ist hier durchaus nicht spirituell wie bei den Engeln mit den flammenden Schwertern, sondern sehr real. Den Hintergrund bildet als eine Art Heiligenschein (Aureole oder Nimbus) ein rotes Fahnentuch. Die Höllenhunde zu Füßen der siegreichen Revolutionäre machen einen eher täppischen Eindruck, sind aber optisch attraktiv. Die Mächte des Bösen sind als Haifischmenschen karikiert. Durch ihre elegante Kleidung, und durch die Sektgläser symbolisieren sie das verwerfliche Wohlleben der dekadenten Bourgeoisie. Sie ähneln den Karikaturen aus den SED-Zeitungen, die damals jeden Tag – mit allerdings geringem Erfolg – die Klassenfeinde entlarven sollten. Für ganz Begriffsstutzige trägt der Haifisch-Kapitalist eine schwarz-weiß-rote Schärpe, die ihn deutlich als reaktionären Vertreter des BRD-Imperialismus ausweist. Zur Rechten, vom Betrachter aus gesehen, befinden sich die ausgebeuteten Massen, die unter der Führung der Partei um ihre Befreiung aus dem kapitalistischen Joch kämpfen. Ihr Heros ist Karl Liebknecht, der angelehnt an ein Foto aus den revolutionären Januartagen eine Rede hält.
Er nimmt die Funktion des Märtyrers ein, ein Begriff übrigens der auch in der kommunistischen Topologie gebräuchlich war.
Zur linken, vom Betrachter aus gesehen, befindet sich anders als in den christlichen Darstellungen das kommunistische Utopia. Eine überdimensionierte Sonne lässt das Leben erblühen. Baukräne bewegen Fertigbauteile für die Neubauwohnungen, in denen eines Tages die Werktätigen ihr paradiesisches Dasein genießen können. Ein Flugzeugmodell symbolisiert den technischen Fortschritt. Spielende und lernende Kinder zeigen die Zukunft. Ein Globus steht für Bildung und Wissen. Die Menschen erarbeiten sich ihr sozialistisches Himmelreich. Der Maler porträtiert sich rechts unten selbst. Dies ist in der Geschichte der Malerei nicht selten, doch in der Kunst der DDR schon.

»Lob des Kommunismus« von Ronald Paris

Abb.: Das Werk »Lob des Kommunismus« von Ronald Paris 

Künstlerische Form im »Lob des Kommunismus«

Der Titel des Gemäldes rekurriert unmittelbar auf das Gedicht von Bertolt Brecht. Es war Teil der dramatischen Bearbeitung des Romans »Die Mutter« von Maxim Gorki. Die Idee, den Gedichttext zum Teil des Kunstwerks zu machen, erhöht die direkte politische Wirkung, könnte aber auch eine gewisse Legitimierung der damals nicht sonderlich gern gesehenen Form sein.
Ronald Paris wählt eine Formensprache, die dem Sozialistischen Realismus und zudem dem provinziell-kleinbürgerlichen Kunstgeschmack der führenden Funktionäre zuwiderlief. Die Gestalten des Gemäldes sind symbolhaft und expressiv und eben nicht realistisch, in jenem vordergründigen, platten Sinn der Kunstwächter.
Die Machart erinnert an die Bilder von George Grosz oder Otto Dix, die als unmittelbarer Reflex auf die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, den Ersten Weltkrieg, entstanden waren. Da die konkreten Motive des »Lob des Kommunismus« vor allem an diese Zeit anknüpfen, wirkt die Integration von konkreten historischen Ereignissen, Bildsymbolen, Fotografien in sich logisch. Es sei daran erinnert, dass der fünfzigste Jahrestag der Novemberrevolution 1968 mit großem Aufwand begangen wurde. Die Ereignisse von 1918 wurden in direkte Analogie zu den aktuellen politischen Auseinandersetzungen gesetzt.

Karl Liebknecht in dem Werk »Lob des Kommunismus« von Ronald Paris

Abb.: Karl Liebknecht in dem Werk »Lob des Kommunismus« von Ronald Paris

Eine Interpretation des Werks von Ronald Paris

Der Unwille der Kulturinstanzen über ein Gemälde, dass so plakativ die kommunistische Utopie propagiert mag auf den ersten Blick verwundern. Vor dem Hintergrund der politischen, ideologischen und eben auch ästhetischen Auseinandersetzungen der sechziger Jahre wird es nur allzu klar.
In den sechziger Jahren versuchten sozialistische Intellektuelle in aller Welt dem »real existierenden Sozialismus« eine kommunistische Utopie entgegen zu stellen. So wie die mittelalterlichen Ketzer zu den ursprünglichen Texten des Christentums zurückgriffen und sie einer verweltlichten, nach Macht und Reichtum strebenden Kirchenhierarchie entgegen hielten, so kehrten die Dissidenten zu emanzipatorischen und freiheitlichen Wurzeln des Marxismus zurück. Sie hielten der herrschenden Partei den Verrat an den ursprünglichen Idealen des Kommunismus vor. Gegen den Sozialismus gibt es nur ein Mittel meinte Wolf Biermann damals, voran zu schreiten zum Kommunismus.
Dieser Aphorismus trifft wohl das Anliegen des Werkes »Lob des Kommunismus«. Es ist insofern mehr als nur ein »Zeitdokument« im beliebigen Sinne. Es ist Ausdruck einer geistigen Auseinandersetzung, die in jenen Jahren kulminierte.

Ronald Paris verewigt in seinem Wer »Lob des Kommunismus«

Abb.: Ronald Paris mit einer Farbpalette in der Hand, verewigt in seinem Werk »Lob des Kommunismus«

Diskussion um die (Auftrags-)Arbeit

Die von Roland Paris bekräftigte Regimekritik gegenüber des SED-Regimes ist nicht für jede*n Betrachter*in ersichtlich genug, als dass sie als solche auf Anhieb propagiert werden könnte. Die Frage wie es möglich gewesen sei, dass ein vermeintlich kritisches Werk in einem offiziellen Regierungsgebäude der SED aufgehängt wurde ist durchaus plausibel.
Ob das Werk eine Auftragsarbeit sei, verneint der Künstler im 2012 erschienenen Buch Ronald Paris. Wahr und Wahrhaftig. Über seinen Freund Achim Härter, den Architekten des Gebäudes des Amtes für Statistik und der Frage zur Initiierung des Werks erinnert er sich:


»(…) (d)er Architekt (konnte entscheiden). Weder die künftigen Hausherren noch das Komitee zum Aufbau des Stadtzentrums, dem Paul Verner vorstand, hat Vorgaben gemacht. Insofern war das Wandgemälde kein Auftragswerk. (...) Nein, eher ein Verlegenheitsfüller, ein glücklicher Zufall. Achim Härter wollte den Saal nicht kahl und ungeschmückt lassen. Und er vertraute mir, dass mir etwas Passendes einfallen würde.«


Die SED war bekanntermaßen eine autoritäre Partei, die Kritik und Abweichungen von der offiziellen Ideologie oft nicht tolerierte. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Finanzierungszusage ohne Vorlage des Auftrags gewährt wurde, besonders wenn es in einem offiziellen Gebäude hängen sollte. Doch die Kritik liegt hier wohl im Auge der Betrachter*innen.

 

Das Werk »Lob des Kommunismus« im DDR Museum

Das ab 1969 im Haus der Statistik hängende Gemälde wurde nach der Schließung des Gebäudes aus dem vom Abriss bedrohten Objekt vom DDR Museum gerettet und aufwändig restauriert. Seitdem hängt das zwei Meter hohe und elf Meter lange Fresko im DDR Museum, wo es täglich von 9-21 Uhr zugänglich ist und in seiner vollen Pracht besichtigt werden kann. Für all diejenigen, die keine Möglichkeit haben, das DDR Museum zu besuchen, haben wir zum Jahrestag des Mauerfalls 2020 eine digitale Ausstellung mit dem Namen »Die gemalte Utopie – Das ›Lob des Kommunismus‹« auf Google Arts & Culture veröffentlicht. Die Online-Ausstellung über das monumentale Werk von Ronald Paris ist auf Deutsch und Englisch verfügbar und ist kostenfrei zugänglich. 

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