Die Macht der Partei war in der DDR allgegenwärtig. Sie galt als unantastbar, begründet durch die Klassiker des Marxismus-Leninismus. Doch hinter der Ideologie stand die konkrete und alltägliche Macht der bürokratischen Apparate. Sie fand ihren symbolischen Ausdruck im Schreibtisch des Politbürokraten. Der einzelne Funktionär war austauschbar, der Schreibtisch aber blieb – zumindest in der Vorstellung der Herrschenden. Am Schreibtisch fielen die Entscheidungen, hier wurden die Unterschriftenkrakel der Amtsträger auf wichtige Papiere geschmiert, hier wurde über Schicksale entschieden. In den Stahlschränken lagerten die Geheimnisse der Macht: Personalbögen, Berichte, Protokollnotizen mit entsprechenden Geheimhaltungsstempeln.
Dabei war jeder Verwalter von Macht auch wieder vollkommen machtlos gegenüber der höheren Ebene. Die Hierarchie spiegelte sich deutlich in der Gestaltung der Büros wider. Die obersten Parteikader – es waren durchgängig Männer – liebten holzgetäfelte Wände, gepolsterte Sofaecken und schwere Teppiche, ganz nach sowjetischem Muster. Bei den mittleren Diensträngen ging es bescheidener zu.
Wir haben uns in unserer Dauerausstellung für diese Ebene entschieden. Das Originalobjekt stammt aus dem Rathaus Frankfurt (Oder). Typisch war die T-Form bei der Anordnung der Büromöbel. An den Schreibtisch des Vorgesetzten wurde ein Beratungstisch gestellt, an dem die Untergebenen oder Besucher*innen Platz zu nehmen hatten. Der Funktionär thronte hinter seiner Schreibplatte auf einem bequemen Sessel. Die niederen Chargen saßen eng auf einfachen Stühlen. Die Sitzordnung war stets wichtig im Staat der Arbeiter und Bauern.
Alles Persönliche verbarg der Funktionär in seinen Schubladen: seine Dienstwaffe, die sowjetische Armeepistole Makarow, wichtige Verordnungen sowie als letzte Tröstung in Minuten des Selbstzweifels – eine Flasche Schnaps.
In der Ausstellung des DDR Museum steht der Schreibtisch sinnbildlich im Zentrum des Staatsaufbaus. Wie die Strahlen der Sonne gehen alle »Segnungen« vom Verwalter der Macht aus. Umgekehrt laufen hier die Stränge der Information wieder zusammen. Beliebt war in der Funktionärssprache die Floskel: Dieses oder jenes: »geht über meinen Schreibtisch!« Als sei ihre Schreibplatte eine Miniaturwelt mit verschiebbaren Figuren.
Die Themen dieses Ausstellungsbereichs gruppieren sich um den Schreibtisch herum: der Bruderbund mit der Sowjetunion, die Verteidigung, die Instanzen des Staates, die Wirtschaft und die Sicherung der Staatsgrenze. Besucher*innen sind eingeladen, sich in den Sessel des Poltibürokraten sinken zu lassen, ein Anruf der Sekretärin wird durchgestellt. Der Schluck aus der Schnapsflasche muss allerdings symbolisch bleiben und auch das Modell der Dienstpistole ist unter Glas. Ansonsten darf man für einen Augenblick jene Macht genießen, die sich ewig wähnte und doch auf tönernen Füßen ruhte.