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„Wir hatten nix, nur Umlaute. Meine Kreisstadtjugend mit Systemwechsel“ von Nils Heinrich, erschienen im Rowohlt Taschenbuch Verlag 2013.

Nils Heinrich ist in der DDR aufgewachsen und hat lange davon geträumt irgendwann ein frecher Radiomoderator oder Schallplattenunterhalter zu werden. Es kam letztlich anders, in der DDR wurde er zum Konditor ausgebildet, Wortwitz und treffsichere Ironie waren hier nicht gefragt. Heute jedoch tourt er als Kabarettist durch das wiedervereinigte Deutschland und lässt uns auch Zuhause mit seinem Buch an seinem spritzigen Humor teilhaben.
(23.07.2015)

Nils Heinrich ist in der DDR aufgewachsen und hat lange davon geträumt irgendwann ein frecher Radiomoderator oder Schallplattenunterhalter zu werden. Es kam letztlich anders, in der DDR wurde er zum Konditor ausgebildet, Wortwitz und treffsichere Ironie waren hier nicht gefragt. Heute jedoch tourt er als Kabarettist durch das wiedervereinigte Deutschland und lässt uns auch Zuhause mit seinem Buch an seinem spritzigen Humor teilhaben.

In seinem autobiografischen Roman schildert Heinrich sein Erwachsenwerden in einer kleinen Provinzstadt südlich des Harzes, mit all den Widrigkeiten der Pubertät sowie ebenso den besonderen, DDR-spezifischen Problemen. Er beschreibt ironisch-humorvoll, wie der Staat „gerontokratisch in Grund und Boden verwaltet (wurde) von einer greisen Gang, die immer schon „dabei gewesen“ war und Klassenkampf gegen die eigene Bevölkerung führte“ (S. 13).

Er erzählt uns von sozialistischer Erziehung, sportlichem Leistungsdruck, Altpapiersammeln, arbeitsloser Westverwandtschaft und fragwürdigem Biergebräu nach Plan mit einem Augenzwinkern, das einen zwingt laut aufzulachen und gleichzeitig verstehend zu nicken. So fasst er zusammen: „Die neuesten Beschlüsse eines weiteren sinnlosen Parteitages, irgendwelche Friedensresolutionen, Ersatzlösungen, Mangelversorgung, Solidaritätsadressen an unterdrückte Länder auf unerreichbaren Erdteilen oder diverse Vorgaben und Verbote – der DDR-Bürger schluckte einfach alles. Und zur besseren Verdauung gab´s hinterher einen Schnaps. Oder zwei. In der Regel viele. Und natürlich Bier“ (S. 145).

Doch wer dieses Buch als Abrechnung mit der DDR verstehen will, liegt falsch. Es ist eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland, die er mit Wortwitz und Charme aufs Korn nimmt. Auch die Erlebnisse mit dem Kapitalismus und Westdeutschland werden schlagfertig analysiert, sodass auch jene ihr Fett wegbekommen: „Somit war das Allererste, was Belegschaft und Führungsspitze der SEKA (Sehen und Kaufen als Nachfolgerkaufhalle der Handelsorganisation) im Kapitalismus gelernt haben, die folgende Weisheit: Alle sind gleich. Und zwar: gleich arbeitslos“ (S. 174).

Dieses Buch ist eine gelungene Satire über die DDR und die Nachwendejahre, das gute Laune macht und dennoch zum Nachdenken anregt. Hier ist es möglich auf humorvolle Weise etwas über den Alltag im sozialistischen Staat und das Gefühlschaos nach dem Mauerfall zu lernen. Das Buch ist für Jugendliche wie Erwachsene, DDR-Kenner als auch Neulinge geeignet. Wer jedoch ein wenig Vorwissen mitbringt, hat wahrscheinlich umso mehr Spaß mit Heinrichs spitzer Zunge.

Wer nun neugierig geworden ist, findet das Buch in gut sortierten Buchhandlungen für 8,99 € unter der ISBN: 3499629631. Viel Spaß beim Lesen! /es

 

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