Anders als in den kapitalistischen Ländern und heute zielte die Werbung in der DDR nicht auf den Konkurrenzkampf der verschiedenen Konsumgüter und Firmen ab, sondern stellte hauptsächlich neue Entwicklungen und Produkte vor. Nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 wurde die Konsumgütervielfalt in der DDR deutlich gesteigert, um die Versorgung und auf diese Weise die Zufriedenheit der Bevölkerung zu verbessern.
Die Anfänge der DDR-Werbung liegen in den 1950er-Jahren. Viele Entwürfe erinnern an das Design der Vorkriegsjahre, wie zum Beispiel die Produktwerbung für Weinbrand des VEB Weinbrand Wilthen in Wilthen in der Oberlausitz (Sachsen), dessen Aufmachung sich an den Werbevorbildern der Vorkriegszeit orientiert.
Zur gleichen Zeit wurden aber auch neue Werbeformate ausprobiert und umgesetzt, wofür ab und an auch ein Blick zum westlichen Nachbarn riskiert wurde. Der Aufsteller »Fußflott« der Fabrik für chemisch-pharmazeutische Präparate »Carl Hoernecke« aus Magdeburg bewirbt eine Eigenkreation der frühen 1950er-Jahre. Im Gegensatz zu den meisten Reklameschildern dieser Zeit setzt der Pappaufsteller auf ein damals zeitgemäßes Layout und orientiert sich nicht am klassischen Stil der Vorkriegswerbung. Markante Sprüche wie »Wer stets viel geh'n und stehen muß, ist stets durch ›Fußflott‹ flott zu Fuß« sind auch für Werbekreationen westdeutscher Firmen typisch.
Trotz des Zweiten Weltkriegs und der Teilung Deutschlands konnten einige Firmen an ihre Geschichte anknüpfen. Bereits 1932 wurde das Feinwachmittel »Fewa« eingeführt, das später sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik hergestellt wurde. Werbefigur war die pausbäckige »Fewa-Johanna«, die einzige Werbefigur der DDR, deren Ursprung in der Vorkriegszeit liegt. Der Gebrauchsgrafiker Horst Geil passte die fleißige Waschfrau an die Ästhetik der Zeit an. Als Puppe war sie beispielsweise in Drogerien zu finden und auch im DDR-Fernsehen gab sie Tipps zur richtigen Wäschepflege.
Eine weitere Firma mit Tradition war der VEB Schuhfabrik Zwönitz, die ihre Kinderschuhe nicht nur mit dem Slogan »Den Kindern das Beste!« bewarb, sondern außerdem mit dem »Zwönitzer Schusterjungen« auf die lokale Handwerkskunst und -tradition verweist.
Wie schon die »Fewa-Johanna« beweist, sorgen Werbefiguren nicht nur für einen Wiedererkennungswert, sondern sind auch wahre Sympathieträger, denen Klein und Groß vertrauen. Im Laufe der Geschichte der DDR-Werbung wurden daher immer mehr solcher Figuren entwickelt, die neben ihrem Werbeeffekt teilweise auch bestimmte Werte vermittelten.
Der Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde, das Pendant zum Westberliner Zoo, setzte beispielsweise auf »Ede, der Tierparklehrling«, ursprünglich eine Comicfigur des Zeichners Erich Schmitt. Das tierliebe Maskottchen trägt einen grauen Anzug mit gelben Knöpfen, dazu einen passenden Hut mit der Aufschrift »Tierpark Berlin«, einen Besen, einen Eimer Wasser und große schwarze Schuhe. Die Figur in der Sammlung wurde aus Holz gefertigt.
Bekannt und beliebt war auch »Korbine Früchtchen«. Neben ihrem Werbeauftrag verfolgte sie das Ziel, Kindern eine gesunde Ernährung sowie das Sammeln von Früchten näher zu bringen. Weiterhin ist noch der »Minol-Pirol«, der markante Werbevogel des VEB Kombinat Minol mit seiner gleichnamigen Handelsmarke (am 1. Januar 1956 gegründet), zu nennen. Form nahm das von Heiner Knappe gestaltete Maskottchen mit blauem Kittel und Hut 1962 an, entwickelt aus einer Öl-Kanne mit Flügeln und Beinen.
Nicht zu vergessen ist das »Leipziger Messemännchen«, das Maskottchen der Leipziger Messe, das zum 800-jährigen Jubiläum der Messe 1964 vom DDR-Kunstpreisträger Gerhard Behrendt, der auch das Sandmännchen erschuf, gestaltet wurde. Der kleine Geschäftsmann im blauen Anzug, mit einem gelben Globus als Kopf, einer Pfeife im Mundwinkel und einem eleganten Hütchen mit den Buchstaben MM (»Muster-Messe«) repräsentiert die Internationalität der Messestadt. Die Farben Gelb und Blau stehen für die Stadt Leipzig.
So manche Marken und Reklamen nahmen die Menschen in der kleinen Republik mit an ferne Orte. Der »Jasmatzi«-Aufsteller wirbt unter dem damals gängigen Werbeschlagwort »Orient« für die gleichnamigen Zigaretten. Die Oberfläche des Schildes besteht aus dunkelrotem Samt, die Gestaltung erinnert an einen tempelartigen Eingang. Das besondere hierbei ist, dass der Werbeaufsteller einen zusätzlichen Aufsteller vorne besitzt, in den eine Zigarette eingelegt werden konnte.
Eine etwas ausgefallene Werbung ist die der Feinseife »cha« vom VEB Oderna Seifenwerk in Frankfurt/Oder. Durch den mediterran anmutenden Namen und entsprechend passende Illustrierungen wird eine gewisse Exotik und Internationalität suggeriert. Der Werbeaufsteller ist ein typisches Beispiel für die 1960er- und frühen 1970er-Jahre, da in dieser Zeit eigene Werbekreationen mehr und mehr die klassischen Elemente der Vorkriegszeit verdrängten.
Mit dem Amtsantritt Erich Honeckers 1971 als Generalsekretär des Zentralkomitees der SED ging auch die Ära der lustigen Werbefilmchen und Plakate ihrem Ende entgegen. Vier Jahre später folgte das Gesetz zum Verbot der Inlandswerbung, verordnet vom Ministerrat. Dieses hatte bis zum Mauerfall bestand und folglich blieben die letzten zwei Jahrzehnte der DDR ohne aufwendige Produktwerbung. Auch wegen der unzureichenden Verfügbarkeit von Konsumgütern wurde der DDR-Reklame ein Ende gesetzt. Man wollte keine Begehrlichkeiten wecken, die hinterher nicht erfüllt werden konnten.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien als Gastbeitrag von Nicole Sawicka im Herbst 2014.
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