Für den heutigen Bibliotheks-Blog habe ich mich wieder in die Untiefen der Bücherregale gestürzt und abermals einen kleinen Schatz zutage gefördert, an dem ich mich sehr schnell mit gemischten Gefühlen festgelesen habe.
In ihrem Buch „Stasi-Kinder“ vollbringt Ruth Hoffman mit Bravur einen Spagat. Nämlich jenen zwischen den wahren Geschichten ihrer Interviewpartner auf der einen und einem sachlichen, nüchternen Teil, Exkurse genannt, auf der anderen Seite, der die reinen Fakten und Tatsachen rund um die Stasi erläutert.
Ruth Hoffmann interviewte über 20 Kinder von hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern und zeigt nach intensiver Recherche erstmals, wie sich die beklemmende Atmosphäre der Totalüberwachung auf den Familienalltag, vor allem auf die betroffenen Kinder ausgewirkt hat. In Ihren Geschichten kommen die Betroffenen ausführlich zu Wort und machen dabei deutlich, wie nachhaltig Kinder und Jugendliche bis heute von der Stasi-Tätigkeit eines Elternteils oder Familienmitglieds geprägt wurden. Von Verdrängung über den Bruch mit den Eltern bis zu schweren psychischen Störungen reichen die Folgen. Die Geschichten der Kinder und Jugendlichen von einst hat sie dabei bemerkenswert fesselnd und authentisch niedergeschrieben. Durch die anschaulichen Schilderungen ist der Leser nach wenigen Sätzen gebannt und hat, bevor er oder sie es merkt, bereits mehrere Seiten verschlungen.
Dagegen finden sich, wie eingangs erwähnt, am Ende jedes Kapitels die sogenannten Exkurse. Hier nennt Ruth Hoffmann sachlich und nüchtern die Fakten zur Stasi. Beispielsweise wird im ersten „Exkurs: Unterdrückung im Dienste des Friedens – der Apparat“ erläutert: Was waren die Aufgaben der Stasi waren, wo befanden sich Zentrale und Hauptquartier, was sind Objektdienststellen und was tun „Offiziere im besonderen Einsatz“? Wie groß war ‚der Apparat‘ genau und wie ist dieser ins Verhältnis zu den Geheimdiensten anderer kommunistischer Diktaturen zu setzen? „1989 stehen 91.015 Hauptamtliche in Lohn und Brot – auf einen Mitarbeiter kommen also etwa 180 DDR-Bürger. Zum Vergleich: Selbst beim mächtigen KGB beträgt das Verhältnis 1 zu 595, in der Tschechoslowakei 1 zu 867, und in Polen stehen eine Geheimdienstler sogar 1574 Bürger gegenüber.“ (vgl. S. 33 mit Hinweis auf Jens Gieseke: Die Stasi. 1945 – 1990, S. 72).
Zunächst finden Sie im Buch natürlich die Einleitung. Hier legt die Autorin dar, wie von ihrem ursprünglichen Vorhaben, der Produktion einer Reportage „Die Kinder der Frankfurter Allee“ abkam und was letztlich zu dem vorliegenden Buch führte. Anschließend beginnt der Hauptteil des Buches, gegliedert in die Kapitel:
Zum Schluss folgen im Anhang die „Anmerkungen“ sowie die ausführliche „Literatur“, also eine umfassende Quellenangabe, die zugleich eine breitgefächerte Liste von Nachschlagewerke für am Thema Interessierte darstellt. Das Buch schließt mit der „Danksagung“.
Was ich bis eben nicht wusste: Frau Hoffmann war 2012 auch schon im Rahmen unserer regelmäßigen Veranstaltungsreihe bei uns zu Gast und hat ihr Buch vorgestellt! Und auch damals war unsere Kollegin Frau Alperstaedt von dem Buch sehr beeindruckt. Hier können Sie ihren äußerst treffenden Bericht zur Veranstaltung und zum Buch nachlesen.
„Stasi-Kinder – Aufwachsen im Überwachungsstaat“ ist 2012 in 2. Auflage im Berliner Propyläen Verlag erschienen, hat die ISBN 978-3-549-07410-7 und ist für 19,99 € als Hardcover, für 9,99 € als Taschenbuch und für 8,99 € als epub erhältlich.