Der Braunkohlebergbau in der Lausitz und seine künstlerische Reflexion ist –außer mit Brigitte Reimann- kaum besser zusammenzuführen, als mit dem „Baggerfahrer und Musiker“ Gerhard Gundermann (www.gundi.de). Er schrieb für eine stabile Fangemeinde Lieder wie „Hoy Woy I“, „Gras“ oder „Engel über dem Revier“.
Gundermann stand im Spannungsverhältnis einerseits als Bergmann am Raubbau an der Natur selbst mitzuarbeiten und anderseits als Liedermacher vor der drohenden ökologischen Katastrophe warnen zu wollen. Diese innere Zerrissenheit setzte kreative Energie in ihm frei. Auf dem Kongress der Unterhaltungskunst am 1./2. März 1989 sagte er dazu: „In dem ersten Beruf bin ich Bergmann. Ich arbeite seit 15 Jahren auf dem Schaufelradbagger im Tagebau Spreetal. Mein spezielles Problem ist, daß ich einige hundert Meter von diesem Tagebau wohne. Das Haus, in dem ich wohne, wird von der Kohle, die ich fördere, mit Energie und Gas versorgt. Gleichzeitig baggere ich unerbittlich auf dieses Haus zu und bin im Jahr 2003 an meinem eigenen Eingeweckten. Habe also, wenn es nach Plan geht, ab 2003 kein zu Hause mehr. Ich stehe in dem Konflikt, einerseits meine Arbeit gut machen zu wollen, andererseits so langsam wie möglich.“ Ein Jahr später ging das Land, das eigene Eingeweckte blieb.
Gerhard Gundermann (1955-1998) ging als „naiver Idealist“, wie er selbst sagte, mit 18 Jahren auf die Offiziersschule. Seine Offizierskarriere war aber nach einem Jahr beendet, als er sich weigerte, ein Loblied auf den damaligen Verteidigungsminister zu singen. Es folgte eine Anstellung als Hilfsmaschinist im Tagebau Spreetal bei Hoyerswerda, wo er seit 1967 wohnte. Schon in den sechziger Jahren war die Schriftstellerin Brigitte Reimann in der durch die Braunkohle geprägten Stadt Hoyerswerda tätig und begann hier ihr Hauptwerk „Franziska Linkerhand“. In den 20 Jahren, in denen er in den Tagebauen Spreetal und Scheibe gearbeitet hat, war er zuerst in der Kohle und später im Abraum auf einem Schaufelradbagger SRs 500/630 tätig. Parallel betätigte er sich im FDJ-Singeklub von Hoyerswerda, aus dem 1978 die Gruppe „Brigade Feuerstein“ hervorging. Als deren Kopf war er an der Aufführung verschiedener Programme beteiligt. Inhaltlicher Schwerpunkt war die künstlerische Darstellung von Problemen des (Arbeits)alltags, formal traf die Bezeichnung Liedertheater am ehesten zu. Er schrieb seit den späten siebziger Jahren Lieder wie „...und zwangen die toten Halden zum Strand“, „Mann aus Eisen“ oder den Titel „Brigitta“. 1988 verließ er die Brigade Feuerstein und nahm seine erste Soloplatte mit dem Titel „Männer, Frauen und Maschinen“ auf. Hier findet sich auch sein Lied „Hoy Woy I“ von 1986 wieder: „Hoy Woy dir sind wir treu, du blasse Blume auf Sand“. Gemeint ist natürlich Hoyerswerda, die Schlafstadt der Braunkohlebergmänner und -Frauen in der an sich armen Lausitz. „Hier war ja nur ne Maschinistenfarm“ resümierte er nach dem großen Andersherum nicht ganz ohne Wehmut in „Hoy Woy II“. Aus dieser Zeit stammt auch das am 14.11.1989 in Cottbus aufgenommene Foto.
Bis 1997 brachte er, meist begleitet von einer Rockband, vier weitere Alben heraus. Am 22. Juni 1998 starb er unerwartet in seinem Haus in Spreetal bei Hoyerswerda.
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1114-007 / Weisflog, Rainer / CC-BY-SA