DDR-Geschichte

Der Soldatenspind in der Ausstellung

Der wissenschaftliche Leiter des DDR Museum, Dr. Stefan Wolle, erinnert sich in diesem Beitrag an seine Zeit bei der Nationalen Volksarmee und besonders an seinen Hauptfeldwebel, an der er bis heute beim Sortieren seiner Bücher denkt.
von Dr. Stefan Wolle (13.12.2013)

»Schrankbau ist eine Kunst«

Das pflegte unser Hauptfeldwebel der Nationalen Volksarmee (NVA) in Momenten innerer Weichheit den Soldaten zu erklären. Stiefelputz, Bettenbau und die saubere Kragenbinde waren Eckpfeiler einer Weltanschauung, die seinem Leben Sinn gaben. Der Altar dieser Religion aber, an dem das Hochamt vollzogen wurde, war der Spind, ein Schränkchen, in dem jeder Soldat die Uniform und seine kleinen Habseligkeiten unterzubringen hatte. In der Tat gab es für die Schrankordnung eine eigene Dienstvorschrift. Sogar die an der Innentür zu befestigenden Bilder wurden darin definiert. Gestattet waren außer Familienfotos »geschmackvolle Landschaftsdarstellungen«, eine Formulierung, die ständig Grinsen auslöste.

NVA-Spind Nachbildung im DDR Museum

Der Spind in der Ausstellung des DDR Museum

Der Spind, der in der Dauerausstellung in der Installation zu den Themen NVA und Wehrdienst zu finden ist, hätte bei meinem Spieß ganz sicher einen Tobsuchtsanfall ausgelöst. Der Stahlhelm, den Besucher*innen gemäß unseres Grundprinzips »Geschichte zum Anfassen« herausnehmen können, liegt immer wieder verkehrt herum. Oft nehmen sie ein Uniformstück aus dem Schrank und hängen es in der falschen Reihenfolge wieder hinein. Auch der Abstand zwischen den Kleiderbügeln stimmt nie.

»Zwei Finger breit«, höre ich meinen Spieß schnauzen. Er fand immer Punkte, die den Bestimmungen nicht entsprachen. Ich sehe ihn noch die Reihe von Büchern betrachten, die sauber ausgerichtet in dem dafür vorgesehenen Fach standen. Irgendetwas irritierte ihn an meiner kleinen Handbibliothek. Dann fragte er: »Vorschriftsmäßig sortiert?«

»Jawohl, Genosse Hauptfeldwebel«, antwortete ich. »Nach Farben geordnet.«

»Nach Größe aufstellen«, befahl er. Eigentlich logisch, denn so hatten sich auch die Soldaten in der Marschordnung aufzustellen. »Und damit Sie sich das ein für allemal merken: zwanzig Liegestütze!«

Ich fiel in den Liegestütz und fing an ... eins ... zwei ... drei ... .

Leicht angewidert betrachtete er die befohlene Leibesübung. Dann wandte er sich ab und murmelte resigniert: »Na Hauptsache, es reicht bei Ihnen zum Seitenumblättern.«

Es hat ein Leben lang gereicht. Wenn ich aber meine Bücher sortiere, denke ich oft an meinen Spieß. Immer der Größe nach!  

Spind NVA im DDR Museum

Frag Dr. Wolle – Wehrpflicht in der DDR

In dieser Folge der Serie Frag Dr. Wolle spricht der wissenschaftliche Leiter des DDR Museum über die Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee (NVA) in der DDR. Viel Freude beim Ansehen.

YouTube Thumbnail zum Video »Frag Dr. Wolle – Wehrpflicht in der DDR«

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