"Die Prozessbeteiligten bitte"...
Das historische Aufarbeitung mehr sein kann als trocken und staubig, hat wieder einmal die gestrige Veranstaltung im Besucherzentrum des DDR Museum bewiesen.
Zu Gast war die Künstlerin Marina Prüfer, einstige Gerichtszeichnerin im Honecker- und Mielke-Prozess.
Frau Prüfer präsentierte ihre Werke und Zeichnungen aus dem Gericht und erklärte, wie die teilweise abstrakten Werke zustande kamen: Sie sind sehr geprägt durch ihre subjektive Sichtweise, die sich aus ihrer eigenen Biografie ergibt.
Die Künstlerin, selbst im Jahre 1976 mit 21 Jahren aus der DDR geflüchtet, hatte früh den Wunsch Malerin zu werden. In der DDR lernte sie Bauzeichnerin, arbeitete an Zeichnungen für ein Atomkraftwerk mit und konnte schwer nachvollziehen, warum sie Zeichnungen für ein Kraftwerk anfertigen, aber nicht verstehen darf, wie es funktioniert.
Über das Risiko ihrer Flucht, die sie mit ihrem Kind durchführte, war sich die Künstlerin nach eigener Aussage bewusst und entschied sich dennoch dafür, die DDR (nach einjährigem Ausreiseverfahren) im Kofferaum eines Pkw zu verlassen.
Schon damals interessierte Sie sich für das Thema „Menschen in Bewegung", das sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht. Marina Prüfer, in Berlin geboren, flüchtete nach Berlin West und brach mit ihrem bisherigen Leben und ihrer Familie in der DDR. In der Zeit von 1986 bis 1992 pendelte sie zwischen Berlin und der Schweiz.
Die Mauer fiel - und wieder kam alles in Bewegung. Aus einem Selbstverständnis heraus bewarb sich die Künstlerin eigeninitiativ um die Akkreditierung zur Gerichtszeichnerin im historischen Honecker Prozess u.a., die sie dank Verbindungen zur Presse schließlich erhielt. Die Form der Dokumentation bot ihr die Möglichkeit, das eigene Erlebte und die Geschichte der DDR noch einmal im Ganzen Revue passieren zu lassen. „Hass", so erläuterte die Künstlerin, habe sie gegenüber Honecker nicht empfunden. Eher Mitleid; Sie erlebte ihn als einen alten, würdigen Mann und habe die unterschiedlichen Menschen im Gerichtssaal möglichst ohne Wertung gesehen und gezeichnet. Eine hohe Übung, "Zeichnen ist Sehen lernen", sagt Prüfer. Im Gespräch mit dem Publikum wurden diese Ausführungen der Künstlerin kontrovers diskutiert, sodass ein angeregter Austausch stattfand.
Es war äußerst interessant Frau Prüfers Schilderungen zu folgen und zu erfahren, wie sie den Prozess künstlerische betrachtet, gezeichnet und in Ton und Bild umgesetzt hat.
Hierbei nahm sie nicht nur Bezug auf „schwierige Situationen", z.B. die Zeugenaussage einer Mutter deren Sohn getötet und dessen Leiche verschleppt wurde, sondern erzählte auch von skurillen und diffusen Ereignissen; etwa von Rechtsanwälten, die den Karneval im Gericht einläuteten.
Während dieser bewegten Zeit dokumentiert die Künstlerin nicht nur ihre Erlebnisse im Gerichtssaal 700, sondern auch das Leben außerhalb. So mischten sich unter die Gerichtszeichnungen Werke, die in Theaterhäusern, dem Berliner Abgeordnetenhaus, der Enquetekommission oder einer Amerikareise entstanden.
Es gab nicht nur Unterhaltung fürs Auge, sondern auch fürs Ohr: Den Ton zu den Werken lieferte ein Uwe Langer, befreundeter Musiker der Künstlerin.
Wir bedanken uns bei Marina Prüfer für diesen interessanten Abend und freuen uns auf die nächste außergewöhnliche Veranstaltung am 16. Juni 2011 und dem Improviationstheater „13. August 1961 - Der Mauerbau fällt aus!".