Interview mit einem der Herausgeber des Buches "Nachgemacht - Spielekopien aus der DDR", welches der DDR Museum Verlag heute veröffentlicht.

Das Projekt "Nachgemacht" von Martin Thiele und Michael Geithner gibt es schon seit einiger Zeit. In den letzten zwei Jahren ist daraus eine einmalige Sammlung von 125 Spielen entstanden, die allesamt in der DDR von Privatpersonen selbst gebastelt worden sind. Auf www.nachgemacht.de kann man sich über das Projekt ausführlich informieren.
von Melanie Alperstaedt (22.04.2013)

Das Projekt "Nachgemacht" von Martin Thiele und Michael Geithner gibt es schon seit einiger Zeit. In den letzten zwei Jahren ist daraus eine einmalige Sammlung von 125 Spielen entstanden, die allesamt in der DDR von Privatpersonen selbst gebastelt worden sind. Auf www.nachgemacht.de kann man sich über das Projekt ausführlich informieren.

Der DDR Museum Verlag veröffentlicht heute nun den Sammelband "Nachgemacht-Spielekopien aus der DDR", der sich in neun Kapiteln, mit hunderten Farbfotos und auf 156 Seiten den wichtigsten Bereichen der Spielelandschaft der DDR widmet. Zu den Autoren gehören der wissenschaftlicher Leiter des DDR Museums, Dr. Stefan Wolle, Dr. Bernward Thole (Gründungsmitglied "Spiel des Jahres), Cynthia Schönfeld (Direktorin Deutsches SPIELEmuseum Chemnitz) und Martin Böttger (bis 2010 Leiter der Stasi-Unterlagen-Außenstelle Chemnitz)

Ich freue mich sehr, dass einer der Herausgeber, Michael Geithner, in dem Trubel dieser Tage noch Zeit für ein Interview mit mir gefunden hat:

Was war euer erster Gedanke, als ihr das Buch in der Hand hattet?

Bitte lass mich keinen Druckfehler mehr finden! Aber daneben vor allem auch unglaubliche Erleichterung, es endlich vor sich zu haben. Seit einem halben Jahr saßen wir intensiv an dem Buch, haben Autoren gesucht und gefunden, haben mit ihnen über ihre Texte gesprochen und diese bearbeitet und nicht zuletzt auch das gesamte Buch gestaltet. Bei all den Fotos war das eine ganz schöne Fleißaufgabe, aber vor allem auch ein riesen Spaß unsere gesamten Bilder und
damit auch deren Geschichten zusammenzufassen. Da erinnert man sich an viele interessante Begebenheiten mit Bastlern oder aus seiner eigenen Kindheit, aber das alles kann man im Buch bestaunen und nachlesen, endlich!

Und wer durfte sich freuen, weil ihr ihm oder ihr sofort ein Exemplar geschenkt habt?

Bei uns beiden waren das, neben den Bastlern, unsere Eltern. Die konnten sich am Anfang noch gar nicht vorstellen, was wir da genau treiben und was wir mit diesen Spielen anfangen wollten. Erst als sie gesehen haben das großes Interesse der Öffentlichkeit besteht, die offenbar ähnlich fasziniert von dem Thema war wie wir, begann bei ihnen auch eine Art Selbstreflexion über ihre Zeit in der DDR und wie extrem sich diese doch seitdem verändert hat. Wie wir erkannten sie die Spiele als einzigartige Zeitzeugnisse und ein bisschen sind sie schon stolz auf uns, was wir so alles darüber herausgefunden haben und jetzt auch noch als Buch auf den Markt bringen.

Was ist denn euer Lieblingsspiel aus dem Buch und warum? P.S. "Weil
ihr da immer gewinnen würdet" ist kein Argument!

Ein Lieblingsspiel gibt es nicht, denn wir sammeln ja nicht nur die Spiele,
sondern ebenso deren Geschichten. Die lassen sich schwer miteinander
vergleichen, denn sie sind so einzigartig und persönlich, dass sie für sich
allein stehen. Ein normalerweise vielleicht recht langweiliges Spiel, gerät
so plötzlich in den Mittelpunkt unseres Interesses. Wenn man jedoch ganz spielerisch herangeht, dann finden wir vor allem komplexe Spiele spannend, denn wir selbst spielen gern und viel. Glücklicherweise war es vor allem diese Art, die nachgemacht wurde, denn anspruchsvolle Brettspiele gab es in der DDR unseres Wissens nach nicht.

Und mal abgesehen von euren persönlichen Vorlieben: Bei welchem Spiel lernt man eurer Meinung nach am meisten über das Leben in der DDR?

Ganz klar: Bürokratopoly. Das Spiel ist kein Nachbau, es ist vielmehr eine
Mischung aus Risiko und Monopoly, aber vollkommen anders. Ziel ist es auf der Machtpyramide der DDR zum Generalsekretär aufzusteigen. Wahlbetrug und Putsch sind dabei ganz legitime Mittel. Der Autor des Spiels, Martin Böttger, sagte uns er wollte Monopoly an die Verhältnisse der DDR anpassen, wo Geld keine große Rolle spielte, sondern Macht. Das allein sagt schon eine Menge über die Verhältnisse damals. Das Spiel und ein Artikel von Böttger, die Akte der Stasi dazu, sowie eine weitere Kopie von Wolfgang Großkopf befinden sich in unserem Buch. Aber ein Spiel muss nicht derart politisch aufgeladen sein, um etwas über die damalige Zeit zu verraten, da reicht schon ein kleines Detail oder ein bestimmtes Material, das wir heute nicht mehr kennen. Die Spiele sind ein wahrer Schatz, wenn es darum geht etwas über die DDR zu lernen.

Ihr wart ja schon bei uns in der Ausstellung. Was ist denn eigentlich
euer Lieblingsobjekt im DDR Museum? Was hättet ihr gern daheim, und wo würde es stehen?

Ein Lieblingsobjekt ist sicherlich das animierte Bilder-"Triptychon" von
Marx, Engels und Lenin. Aber das Ganze ist viel zu gruselig, als dass es
sich einer von uns in die Wohnung hängen würde, zumindest mit diesen
Motiven. Dann hätten wir wohl lieber euren Trabi vollgetankt vor der
Haustür.

Ihr sammelt die Spielekopien schon einige Jahre und berichtet regelmäßig über sie in eurem Blog "Nachgemacht". Nun mal "Butter bei die
Fische": Spielt ihr die Spiele auch mal? Und wenn ja: Wer von euch beiden neigt um Gewinnen?

Wie gesagt, wie spielen gern und oft, wobei es eigentlich immer Geis ist der Martin gewinnen lassen muss, damit nicht jedes Mal Tränen fließen. Naja, so oder andersherum würde es wohl jeder von uns für sich behaupten, aber das reizt uns immer wieder in den spielerischen Wettstreit miteinander zu treten. Die ganze Idee für Nachgemacht kam uns überhaupt erst beim Spielen und der Frage, was unsere Eltern eigentlich so gezockt hatten. Spielen ist ein durch und durch kreativer Prozess und sollte als spezielle Form des Yogas angeboten werden - wobei, sonderlich entspannt ist man bei einer guten Partie eigentlich nicht.

Bei welchem gesamtdeutschen Gesellschaftsspiel ärgert ihr euch denn so richtig, wenn es schlecht läuft? Und verliert ihr im Stillen oder sieht man euch den Ärger an?

Malefiz ist das "Jumanji" der Realität. Kennt ihr noch diesen Film aus den
90er Jahren mit Robin Williams, wo er als Kind in das Spiel buchstäblich
hineingezogen wird und darin 30 Jahre im Dschungel leben muss, bevor er aus Versehen wieder frei gelassen wird? Malefiz entwickelt ähnlich dramatische Züge, das es ja ein vermeintlich so einfaches Spiel ist. Der Clou ist aber, dass man sich in einer Partie mit mehr als zwei Spielern verbünden muss, um zum Ziel zu gelangen, diese Koalition sich aber kurz vor Ende wiederauflösen muss, da nur einer gewinnen kann. Da prallen die Egos schon einmal aufeinander - bei meinen Eltern führte das schon einmal zu einem handfesten Streit mit einem befreundeten Paar. Damals spielten sie übrigens auch mit einem nachgemachten Malefiz, wovon nur noch die Spielsteine übrig sind. Aber alles endete gut. Das Spiel wurde, wie Jumanji, entsorgt. Beim Verlieren ist man natürlich immer bemüht die Sportlichkeit zu wahren und wer gut spielt, der darf auch gewinnen. Das könnte man aber auch, wenn man unbedingt will, anders interpretieren. Unser Bastler Lothar Schubert anwortet auf die Frage "Was ist der Sinn zu spielen?" mit: "Man lernt zu verlieren." Ich glaube das ist für viele, auch in unserem Bekanntenkreis, jedes Mal eine wirkliche Herausforderung.

Und bei welchem seid ihr nahezu unschlagbar?

So ein Spiel gibt es nicht, denn wir versuchen möglichst viele verschiedene Spiele kennen zu lernen. "Dominion", das Spiel des Jahres 2009, haben wir sehr viel gespielt und würden uns sicherlich über jeden Herausforderer freuen, aber "unschlagbar" sind wir nicht. Am meisten freut uns, wenn wir ein neues Spiel kennen lernen, bei unserer Recherche nach den Spielekopien, geschah das des Öfteren, denn einige der Spiele werden heute nicht mehr aufgelegt. Aber man muss schon sagen, dass die Industrie und die Autoren da in den letzten 20 Jahren derart große Fortschritte gemacht haben, da könnte man jeden Tag ein neues Spiel spielen. Wir leben heute auf jeden Fall im Vergleich zur DDR in einem anderen Extrem.

Wenn mir noch Fragen einfallen: Wir sehen uns ja bald wieder! Ihr
kommt am 14. Mai zu uns und stellt "Nachgemacht-Spielekopien aus der DDR" vor. Ich würde mich freuen, wenn ihr für die Leser unseres Blogs im Mai ein paar Exemplare signiert, die werden wir nach der Buchvorstellung verlosen. Habt ihr zum Abschluss vielleicht jetzt schon eine Idee, welche Frage wir für diese Verlosung stellen könnten?

In welcher Stadt der DDR wurden wohl die meisten Spiele hergestellt?

Das Buch ist ab heute erhältlich und kostet 14,95€. Wenn Sie selbst noch Fragen an die Herausgeber haben ist der 14. Mai IHRE Gelegenheit diese zu stellen. 

Als kleiner Tipp am Rande: Das DDR Museum wird eine große Auswahl der Spiele in diesem Herbst im Rahmen einer Sonderausstellung zeigen. Alle Neuigkeiten dazu erfahren Sie hier im Blog!


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