Selbstverständlich sollte es heute in unserem Blog der wissenschaftlichen Lektüre um Weihnachten gehen, doch Weihnachten in der DDR scheint ein wissenschaftlich kaum erforschtes Gebiet zu sein. Lag es daran, dass sich die Festtage und ihr Begehen kaum von anderen (westlichen) Ländern unterschied? Vielleicht. Dennoch gibt es einige Aspekte des Weihnachtsfestes, die ich in diesem Blogbeitrag beleuchten möchte, denn sowohl das Unterschiedliche als auch das Gemeinsame sind eine Recherche wert.
Fündig wurde ich auf einer Webseite für Lehrer: www.lehrer-online.de. Dana Schieck wurde 1975 in Berlin (Ost) geboren. Sie studiert an der TU Berlin Neue Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft (M.A.). Zuvor hat sie in Berlin und Münster Geschichte und Deutsch auf Lehramt studiert. Schieck ist außerdem Webmaster der Portale www.ddr-geschichte.de und www.ddr-zeitzeugen.de.
In ihrem Aufsatz beschreibt sie das Weihnachtsfest in der DDR und seine kulturhistorischen und ideologischen Hintergründe ganz allgemein verständlich.
Religion sei „Opium fürs Volk“, sagte bereits Marx und sprach damit die in der marxistischen Ideologie verankerte Auffassung an, dass Religion ein Macht- und Unterdrückungsinstrument der Herrschenden wäre. Auch die DDR fuhr bis 1958 eine streng antikirchliche Politik, danach wurde dieser Grundsatz zwar gelockert, die Trennung von Staat und Kirche sollte jedoch erhalten bleiben. In der Praxis bestanden sogar Maßnahmen, die die Religionsfreiheit einschränkten, so wurde der Religionsunterricht abgeschafft und eine klare Mitarbeit in kirchlichen Einrichtungen hatte Schwierigkeiten in der Berufslaufbahn oder sogar mit der Stasi zur Folge.
Für Christentum und Kirche gab es im Sozialismus keinen Platz, dadurch entwickelte sich das Weihnachtsfest zum unreligiösen Familienfest laut Schieck. Diese Meinung ist mir allerdings zu einseitig, sie berücksichtigt nicht eine allgemeine Verweltlichung der Gesellschaften in der Mitte des 20. Jahrhunderts. So würde ich behaupten, dass nicht nur in der DDR, sondern auch in Westdeutschland Weihnachten eine Familienfeier war und ist, die zwar ihren Ursprung in der Geburt Jesus hat und von traditionellen Weihnachtsliedern begleitet wird (übrigens auch in der DDR), aber ein tieferes religiöses Verständnis ist in Ost wie West einer kleinen Gruppe vorbehalten.
Viel interessanter sind die Versuche des Staates auf die religiöse Tradition zum Jahresende einzuwirken. Die SED hatte tatsächlich ein säkularisiertes Fest vor Augen, eine Jahresendfeier, wie es im Beamtenjargon hieß, die sich von religiösen Wurzeln lossagen sollte. Der 24. Dezember wurde deshalb zum Arbeitstag, der 25. und 26. Dezember blieben aber gesetzliche Feiertage. In der Praxis hatten Läden am 24. allerdings nur bis mittags geöffnet, gearbeitet wurde fast in keinem Betrieb. Man stimmte sich gemeinsam auf die Feiertage ein. In der Praxis sah es also ganz anders aus.
In der Adventszeit öffneten die Kinder ihre Adventskalender und schrieben ihre Wunschlisten, die den Eltern in der Mangelwirtschaft durchaus einige Sorgen bereiteten. Langes Schlangestehen oder Herumsuchen waren an der Tagesordnung, was nicht zu bekommen war, musste selbst genäht oder gezimmert werden, über Kontakte und Beziehungen bekam man die ein oder andere Bückware. Aber auch der Weihnachtslebensmitteleinkauf gestaltete sich schwierig. Südfrüchte gab es nur sehr begrenzt, Apfelsinen aus Kuba von minderer Qualität erhielt man zumindest vor den Weihnachtsfeiertagen. Ein Westpaket konnte hier selbstverständlich große Freude bereiten, wenn es Güter enthielt, die im Westen als normal angesehen wurden, in der DDR aber zum Luxus zählten.
Die SED versuchte den ständigen Warenmangel, der besonders zu Weihnachten wieder deutlich wurde, zu bagatellisieren, indem sie die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes im Westen offen anprangerte. Dennoch sorgte es für einigen Unmut, sich selbst für die Feiertage oft nichts gönnen zu können oder beispielsweise keine Kerzen für den Weihnachtsbaum zu ergattern.
Am Heiligen Abend versammelte sich dann die Familie um die Weihnachtspyramide, die oft aus dem Erzgebirge stammte und aß gemeinsam Kartoffelsalat und Würstchen. Groß aufgetischt wurde dann am ersten Weihnachtsfeiertag mit Festtagesbraten, meist Gans aus dem sozialistischen Ungarn, Klößen sowie Rot- und Grünkohl.
Auch in der DDR stand der geschmückte Tannenbaum, den es recht günstig zu kaufen gab, im Wohnzimmer, prachtvoll geschmückt mit Glaskugeln und Aluminiumlametta. Wer sich frühzeitig kümmerte, hatte auch Wachskerzen am Baum. Über die Feiertage begleiteten die DDR-Bürger die gängigen Weihnachtslieder, aber auch die LP „Weihnachten in Familie“ von Frank Schöbel mit seiner Familie war sehr beliebt. Zur Kirche ging im Laufe der Zeit fast keiner mehr, um das Fest zu begehen. Dennoch konnte die SED und die Politik das Fest nicht vereinnahmen, es blieb ein besinnliches Familienfest. Welche Erfahrungen haben Sie?
Bild: Bundesarchiv, Bild 183-K1126-330 / CC-BY-SA 3.0