DDR-Musik

Eigentlich war jeder am Basteln - Musikerequipment in den 80ern

Im Prinzip kam man erst nach einer Weile hinter den ganzen Schwindel. Man mußte schon ein paar Jährchen in einer Band gespielt haben, um zu bemerken, daß man mit drittklassigem Zeug hantierte. Was aber auch nichts half, denn entweder hatte man astronomisch viel Geld, oder alles blieb, wie es war.
von Sören Marotz (25.11.2014)

Im Prinzip kam man erst nach einer Weile hinter den ganzen Schwindel. Man mußte schon ein paar Jährchen in einer Band gespielt haben, um zu bemerken, daß man mit drittklassigem Zeug hantierte. Was aber auch nichts half, denn entweder hatte man astronomisch viel Geld, oder alles blieb, wie es war.

Natürlich konnte man Instrumente, Verstärker und Mischpulte kaufen. Es gab sogar verschiedene Firmen, unvergeßliche Namen wie »Regent« (Verstärker, PA-Boxen), »Vermona« (Tasteninstrumente, Mischpulte) oder »Musima« (Gitarrenbau). Es gab DJ-Pulte der unvorstellbar untersten Kategorie (»Disco 2000«) oder die legendären »schwarzen Teufel« (Mikrophone), Stereo-12-Band- Equalizer von »Vermona«, die man besser gar nicht erst einschliff, da es dann erheblich mehr rauschte.

Echte Qualität allerdings gab es nur im klassischen Bereich. Traditionell verwurzelter Instrumentenbau im Erzgebirge hielt hier Weltmarken parat - bis heute sind sie im Geschäft. Bands hatten es da wesentlich schwerer. Bis auf ganz akzeptable Gitarren eben aus dem Erzgebirge oder der CSSR (»Diamant« und »Jolana«) sah es sehr trübe aus. Keine Effekte, keine brauchbaren Verstärker, ja noch nicht mal ernstzunehmende Kabel. Wer also keine Valuta hatte, um im Altglienicker Musik-Intershop einkaufen zu gehen, oder gar einen Reisepaß besaß, um direkt im Westen zu shoppen, der konnte nur für sehr viel Ostgeld auf dem Gebrauchtmarkt seine Problemchen regeln. Und sein Mütchen kühlen dazu.

Ein bei Ostmuckern angehimmeltes Objekt der Begierde wie der Synthesizer »DX 7« kostete 20.000 Ostmark. Ein »Peavy-Combo«, 120 Watt, schlappe 6 000 Ostmark. Ein »Boss-Overdrive« 1.100 Ostmark. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von vielleicht 600, 800 oder knapp 1.000 Mark kann man sich vorstellen, daß der große Kaufrausch nur den wenigsten vorbehalten war. Natürlich der gesamten DDR-Profirockerschaft. Und der Rest? Der Rest war am Basteln. In jeder Band verstand sich zumindest einer darauf. Alles, was fehlte, wurde abenteuerlich zusammengelötet. Es gab sogar einen winzigen Betrieb, der anständige PA-Lautsprecher bis 500 Watt baute. Man nannte sie »Görlitzer«, wie die Stadt, wo eben jene Helden friemelten. Die hatte einfach jeder. Bands hatten überhaupt sehr lange, bis Mitte der Achtziger, eigene PAs, eigene Lkw. Erst spät entwickelte sich ein kleines, aber oft überbuchtes Verleihernetz. Selbst Telefone waren keine Selbstverständlichkeit.

Ich wickelte jahrelang das Bandmanagement über Telefonzellen, vor denen oft Schlangen standen, oder von Baustellentelefonen aus ab. Die Leitungen nach Berlin waren ständig überlastet. Wieder warten. Naja. Es hat mich eigentlich nie gestört, der Konkurrenzdruck war dafür wesentlich geringer. Wo wir gespielt haben, brannte die Luft und die Dielen wurden herausgeruppt für ein paar schräge Akkorde und die Wahrheit gratis dazu. Dieses ständige Improvisieren, dieses Leben als gerechter Indianer und dieser imaginäre Druck einer Staatsmacht vermittelten einem viel mehr amerikanische Werte vom freien Leben, als dem Osten je lieb war und im Westen je erfahrbar sein wird.

Gastbeitrag von Kai-Uwe Kohlschmidt

(Frontmann der Punkband Sandow, benannt nach dem gleichnamigen Cottbuser Stadtteil)

 

Das Foto von Charlie Köckritz zeigt Kai-Uwe Kohlschmidt bei einem Sandow-Konzert.

Mehr zum Thema