Aus dem Museum

Die »Küche« im DDR Museum

In der Küche der nachgebauten WBS 70-Platenbauwohnung im DDR Museum kann man nicht nur viele originale Gegenstände (wieder)entdecken und sich Kochinspirationen für Zuhause mitnehmen. Auch andere Themen der DDR-Geschichte spielen hier eine Rolle und werden spielerisch vermittelt. (06.09.2016)

Wer die nachgebaute Küche betritt, wird sich vielleicht fragen: Die ist doch größer als damals, oder? Und das stimmt auch. Aufgrund der vielen Gäste im DDR Museum sind die originalgetreu eingerichteten Räume der WBS 70-Wohnung teilweise etwas größer, als sie es in den Plattenbaugebäuden aus DDR-Zeiten waren. Wie in vielen Haushalten auch, ist eine Küche viel mehr als ein Ort, an dem nur gekocht wird. Deswegen gibt es in diesem Raum wesentlich mehr Themen zu entdecken, als man zunächst vermuten würde.

Rustikaler Kitsch in den 80er-Jahren

Bereits die Tapete und die Dekoration des Raumes verraten etwas über den Alltag in der DDR. Die Einheitsbauweise der Plattenbauten und die begrenzte Möbelauswahl ließen wenig Spielraum bei der Einrichtung. Um die eigenen vier Wände dennoch individuell zu gestalten und den Räumen eine heimelige Atmosphäre zu verleihen, war diverser rustikaler Kitsch in den 1980er-Jahren groß in Mode. Alte Tonkrüge, Messingpfannen, bunte Geschirrtücher und Topflappen zierten die Küche. Die Tapete passte sich ebenfalls diesem rustikalen Stil an. Interessant hierbei ist, dass Tapeten in Fliesenoptik weit verbreitet waren in der DDR. Fliesen waren eine typische Mangelware; was man ergattern konnte, genügte oftmals nicht, um Bad oder Küche mit einheitlichem Fliesenspiegel zu versehen. Eine Tapete hingegen machte genau dies möglich.

In vielen weiteren Schubladen und Schränken sind originales Geschirr und Haushaltswaren aus der DDR, die man sogar anfassen und somit einem genauen Blick unterziehen kann, zu finden.

Durchreiche vom Wohnzimmer zur Küche in der nachgestellten WBS 70-Wohnung im DDR Museum

Ernährung und Einkaufen in der DDR

Die kulinarischen Gewohnheiten richteten sich in der DDR v. a. nach der Verfügbarkeit der Lebensmittel im Handel. Vieles, was beispielsweise in der Bundesrepublik leicht erhältlich war, gab es im Osten Deutschlands meist in geringen Mengen. Als Beispiele seien hier Südfrüchte, einige Gemüsesorten oder Kaffee genannt. Grundnahrungsmittel wie Brot oder Milch waren hingegen immer ausreichend vorhanden und wegen hoher staatlicher Subventionen sehr günstig.

Die Vorratshaltung hatte in der Mangelwirtschaft eine große Bedeutung. Um Abwechslung auf den Teller zu bringen, sorgte man mit Konserven vor oder kochte selbst das gekaufte Obst und Gemüse ein, um es bei Bedarf im Schrank zu haben. In der nachgestellten Küche sind z. B. Dosen der DDR-Marke »OGEMA« (Abkürzung für Obst, Gemüse, Marmelade) zu finden. In die Konserve kam damals alles, was in der DDR landwirtschaftlich angebaut und geerntet werden konnte. Die gezeigte Auswahl reicht von Brechbohnen im Glas bis zu Äpfeln, Rotkohl oder Stachelbeeren. Für kulinarische Extravaganzen im Bereich der Konserven waren eher die Bruderländer verantwortlich. So gibt es in der Küche auch sowjetische Sprottenpastete oder marinierte Tomatenpaprika aus Albaniens Hauptstadt Tirana zu sehen. Neben Obst und Gemüse wurden auch allerhand andere Lebensmittel mithilfe von Vakuumdosen konserviert. Sogar Vollkornbrot schaffte es zu DDR-Zeiten in die Dose.

Doch Obst und Gemüse standen nicht ganz so häufig auf dem Speiseplan, da die Ernährung der DDR-Bevölkerung oft äußerst fettreich und fleischlastig war. Deftiges Essen – vom Jägerschnitzel bis zur Soljanka – war beliebt. Im »Kühlschrank« der Ausstellungs-Küche lassen sich Informationen zu einigen Ernährungsbesonderheiten der DDR finden. Doch nicht einfach so, sondern mittels eines transparenten Touchscreens: Per Fingertipp wählt man eines der sich im Kühlschrank befindenden neun Originalexponate aus und erhält dazu passende statistische Daten, wie etwa einen Ost-West-Vergleich des Pro-Kopf-Verbrauchs an Fleisch über die Jahre. 

Vater und Sohn in der nachgebauten Küche im DDR Museum

Mangelwaren und Kult-Marken in der DDR

Auch andere Lebens- und Genussmittel sind in der Museumsküche zu entdecken, beispielsweise Kaffe. Das kleine 250 g-Paket der Marke »Sinfonie« wurde in den »delikat«-Läden und denen der Handelsorganisation (HO) verkauft. Allerdings war der Kaffee in der DDR exorbitant teuer: Ein Kilo der ebenfalls ausgestellten Marke »rondo« kostete in den 1980ern stolze 70 Mark der DDR. Grund dafür war die chronische Knappheit an Devisen, die für den Erwerb des Rohstoffs Kaffee benötigt wurden. Den für die DDR sehr teuren Einkaufspreis der braunen Bohnen legte man einfach auf die Bevölkerung um. Da Kaffee zwar als wichtig, jedoch nicht als Grundnahrungsmittel galt, gab es entsprechenden Gestaltungsspielraum bei den damaligen Preisen. Teilweise versuchte man sogar, den Bohnenkaffee mit Zusatzstoffen zu strecken. In unrühmlicher Erinnerung bleibt v. a. »Erichs Krönung«, eine Mischung aus Bohnenkaffee, Gerste, Zuckerrübenschnitzel und anderen Getreidesorten. Die genaue Zusammensetzung und eine »Tastprobe« des gestreckten Kaffees sind am Anfang der Dauerausstellung des DDR Museum zu finden.

Die »Klassiker« fehlen natürlich nicht und sind zum Teil noch (oder wieder) im Handel erhältlich, z. B. das Knäckebrot »Burger Knäcke« aus der Stadt Burg. Die Packung kam zu DDR-Zeiten mit einem Füllgewicht von ungewöhnlichen 257 Gramm daher und kostete 55 Pfennig. Das große Knäckewerk in Burg befindet sich bereits seit 1931 an diesem Standort. Zu DDR-Zeiten war der Betrieb Monopolist auf dem Gebiet der Knäckeproduktion und erfreute sich großer Beliebtheit. Auch Tempolinsen oder Wurzener KuKo-Reis sind in den Regalen neben vielen anderen Lebensmitteln versteckt.

Rolle der Frau und Gleichberechtigung in der DDR

Die Rolle der Frau ist ein zentraler Aspekt, der etwas provokativ in der Küche und auf dem Herd beleuchtet wird. Anhand einzelner Beispiele wird erklärt, inwieweit Frauen in der DDR tatsächlich gleichberechtigt waren und dieses seit 1949 in der Verfassung verankerte, neue Rollenverständnis lebten und leben konnten. Ergänzt werden diese Informationen im »Gleichberichtigungsspiel«, bei dem man mit neun verschiedenen Behauptungen zum Thema Gleichbrechtigung in der DDR konfrontiert wird und entscheiden muss, ob diese Aussagen wahr oder falsch sind. Auf diese Weise erfährt man mehr über die propagierten Ansprüche und die gelebte Realität der Emanzipation. Beispielsweise waren Frauen der Mehrfachbelastung von Kindererziehung und Haushalt, aber auch Beruf ausgesetzt. Statistiken zeigen, dass der DDR-Mann nicht gleichviele Aufgaben im Haushalt übernahm. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Haushalt zu ermöglichen, wurde deshalb 1952 der Haushaltstag eingeführt. Bis 1977 wurde dieser mehrmals angepasst, sodass letztendlich Frauen, aber auch Männer, unter bestimmten Bedingungen von dem Tag profitieren konnten. Im Volksmund »Waschtag« genannt, wurde er dazu genutzt, Wäsche zu waschen – was ohne Waschmaschine durchaus einen Tag in Anspruch nahm – oder Einkäufe zu erledigen. Der bezahlte arbeitsfreie Tag konnte nur in Anspruch genommen werden, wenn die Person vollbeschäftigt war. Doch auch aus diesem Haushaltstag resultierte keine tatsächliche Gleichberechtigung. Männer besetzten weiterhin vorwiegend die obersten Führungspositionen. So gab es beispielsweise keine einzige Frau im Politbüro und Frauen fand man meist in den schlecht bezahlten Tätigkeiten im Dienstleistungssektor. Lediglich an einem Tag im Jahr herrschte verkehrte Welt und die Frau konnte sich vom Betrieb ehren und von der Familie verwöhnen lassen: am 8. März, dem Internationalen Frauentag. Danach ging es weiter wie bisher.

Frau an geöffnetem Küchenschrank in der Ausstellung des DDR Museum

Wir kochen gut

Getreu dem Titel dieses DDR-Kochbuchs, können die Besucherinnen und Besucher des DDR Museum ostdeutsche sowie osteuropäische Rezeptideen dank des Rezeptedruckers mitnehmen. An einem Touchscreen kann man aus 61 Rezepten verschiedener Kochbücher seine liebsten auswählen, ausdrucken und zu Hause nachkochen. Auch eine gezielte Suche nach Getränken, Gebäck, Imbissen oder ganzen Mahlzeiten ist möglich. Bilder aus DDR-Kochzeitschriften erleichtern die Qual der Wahl. Dabei sind u. a. der Broiler Milano, Borstsch, Fruchtschale, Sibirskie Pelmeni, Schtschi oder Ragout Fin. 

Viele bekannte und auch weniger bekannte Rezepte haben wir auf unserem Blog aus DDR-Kochbüchern und DDR-Zeitschriften zusammengetragen.

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