Der Schreibtisch als zentrales Symbol der Macht: Das Strukturprinzip des Bereichs Partei, Staatsmacht, Stasi, Militär und Planwirtschaft

Die Macht der Partei war allumfassend, unantastbar, ewig und geheiligt durch die Dreieinigkeit der Klassiker des Marxismus-Leninismus. Doch hinter dem Weihrauch der Ideologie stand die sehr konkrete und alltägliche Macht der bürokratischen Apparate. Sie fand ihren symbolischen Ausdruck im Schreibtisch des Politbürokraten. Der Funktionär war austauschbar, der Schreibtisch aber blieb stehen für alle Zeiten – wenigstens stellten sich die Inhaber der Macht dies so vor. Am Schreibtisch fielen die Entscheidungen, hier wurden die Unterschriftenkrakel der Amtsträger auf wichtige Papiere geschmiert, hier wurde über Schicksale entschieden. In den Stahlschränken lagerten die Geheimnisse der Macht: Personalbögen, Berichte, Protokollnotizen mit entsprechenden Geheimhaltungsstempeln.
von Dr. Stefan Wolle (04.12.2013)

Die Macht der Partei war allumfassend, unantastbar, ewig und geheiligt durch die Dreieinigkeit der Klassiker des Marxismus-Leninismus. Doch hinter dem Weihrauch der Ideologie stand die sehr konkrete und alltägliche Macht der bürokratischen Apparate. Sie fand ihren symbolischen Ausdruck im Schreibtisch des Politbürokraten. Der Funktionär war austauschbar, der Schreibtisch aber blieb stehen für alle Zeiten – wenigstens stellten sich die Inhaber der Macht dies so vor. Am Schreibtisch fielen die Entscheidungen, hier wurden die Unterschriftenkrakel der Amtsträger auf wichtige Papiere geschmiert, hier wurde über Schicksale entschieden. In den Stahlschränken lagerten die Geheimnisse der Macht: Personalbögen, Berichte, Protokollnotizen mit entsprechenden Geheimhaltungsstempeln.

Machtvolle Verwalter, machtlos gegenüber der Hierarchie

Dabei war jeder Verwalter von Macht auch wieder vollkommen machtlos gegenüber der höheren Macht. Die Hierarchie spiegelte sich deutlich in der Gestaltung der Büros. Die obersten Funktionäre liebten holzgetäfelte Wände, gepolsterte Sofaecken und orientalische Teppiche – ganz nach sowjetischem Muster. Bei den mittleren Diensträngen ging es bescheidener zu. Wir haben uns in unserer Dauerausstellung für diese Ebene entschieden. Das Originalobjekt stammt aus dem Rathaus Frankfurt (Oder). Typisch war die T-Form bei der Anordnung der Büromöbel. An den Schreibtisch des Chefs wurde ein Beratungstisch gestellt, an dem die Untergebenen Mitarbeiter oder Besucher Platz zu nehmen hatten. Der Funktionär thronte hinter seiner Schreibplatte auf einem bequemen Sessel. Die niederen Chargen saßen eng auf einfachen Stühlen. Die Sitzordnung war stets wichtig im Staat der Arbeiter und Bauern. Alles Persönliche verbarg der Funktionär in seinen Schubladen: seine Dienstwaffe – die sowjetische Armeepistole Makarow, wichtige Verordnungen sowie als letzte Tröstung in Minuten des Selbstzweifels – eine Flasche Schnaps.

Der Schreibtisch in der Ausstellung

So steht in unserem Museum der Schreibtisch des Funktionärs im Zentralpunkt des Staatsaufbaus und nicht irgendwie am Rande. Wie die Strahlen der Sonne gehen alle Segnungen vom Büro des Verwalters der Macht aus. Umgekehrt laufen hier die Stränge der Information wieder zusammen. Beliebt war in der Funktionärssprache die Floskel: Dieses oder jenes: „geht über meinen Schreibtisch!“ Als sei ihre Schreibplatte eine Miniaturwelt mit verschiebbaren Figuren. Amphitheatralisch wie eine Stadtanlage in den Zeiten des Absolutismus – man denke etwa an Karlsruhe – gruppieren sich die Bereiche der Ausstellung um diesen Schreibtisch: der Bruderbund mit der Sowjetunion, die Verteidigung, die Instanzen des Staates, die Wirtschaft und die Sicherung der Staatsgrenze. Der Besucher kann und soll sich in den Sessel des Poltibürokraten sinken lassen, ein Anruf der Sekretärin wird durchgestellt. Der Schluck aus der Schnapsflasche muss allerdings symbolisch bleiben und auch das Modell der Dienstpistole ist unter Glas. Ansonsten darf er für einen Augenblick jene Macht genießen, die sich ewig wähnte und doch auf tönernen Füßen ruhte.  

 

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