Grau in grau präsentiert sich das Zentralorgan der SED: immer die gleichen Bilder mit immer den gleichen Leuten, bandwurmartige Überschriften, sperrige Texte mit einem Vokabular, das dem byzantinischen Hofzeremoniell zu entstammen scheint. Wer den Satzanfang gelesen hat, kennt das Ende schon. Vor allem aber gab es kein Entrinnen aus den Bleiwüsten der offiziellen Presse. Von der »Ostseezeitung« aus Rostock bis zum »Freien Wort« in Suhl brachten alle 15 SED-Bezirksorgane absolut identische Texte, jedenfalls soweit es um hohe Politik ging. Lediglich die Überschriften und die Bildauswahl variierten leicht. Auch die Zeitungen der Massenorganisationen und Blockparteien druckten die gleichen Texte, Überschriften und Bilder in nur leicht abgewandelter Version. Um Pannen zu vermeiden, waren selbst diese Varianten vom Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst (ADN) vorgegeben. Winzige Spielräume gab es für die Redakteure nur im Kulturbereich, bei der Sportberichterstattung sowie bei den Regionalnachrichten.
Über die gelenkte Öffentlichkeit des SED-Staates ist schon viel geschrieben worden und noch mehr bliebe nachzutragen. Schwieriger ist es, den Zustand der Gleichschaltung im Museum darzustellen. Insgesamt gab es 37 Tageszeitungen, die von Parteien und Organisationen herausgegeben wurden, zwei Abendblätter und eine sorbische Zeitung. Die beiden Boulevardzeitungen, »BZ am Abend« und die Leipziger »Azet« tanzten gestalterisch manchmal ein bisschen aus der Reihe – mit höherer Genehmigung natürlich. Ansonsten ist das Bild der 37 regulären Blätter erschütternd eintönig.
Abb.: Installation Pressewand im DDR Museum
Dafür galt es 2006 ein überzeugendes Beispiel zu finden. Je belangloser das gemeldete Ereignis, desto überzeugender die Aussage bezüglich der Presselenkung. Natürlich brachten alle Zeitungen zum 1. Mai auf der Titelseite die vorgegebenen Losungen. Wie aber sah es an Normaltagen aus? Ein glücklicher Umstand wehte uns den kompletten Bestand vom 10. Juli 1984 ins Depot. Wahrscheinlich hat ihn jemand anlässlich eines Familienereignisses erworben, vielleicht der Geburt eines Kindes.
Der italienische Ministerpräsident Bettino Craxi war am Vortag in der DDR eingetroffen. Normalerweise war so ein Staatsbesuch kaum mehr als diplomatische Routine, die heute bestenfalls in der Rubrik Außenpolitik ihren Niederschlag fände. Für die DDR aber war der Besuch ein wichtiges Ereignis. Geplagt von einem permanenten Minderwertigkeitskomplex dürstete der ostdeutsche Halbstaat nach internationaler Anerkennung. Dementsprechend groß aufgemacht waren die Überschriften, Fotos und Texte an diesem Tag. Am sperrigsten war die Schlagzeile des »Neuen Deutschland«: »Begegnung Erich Honeckers mit Bettino Craxi in Berlin – Dialog über Friedenssicherung und Entspannung in Europa.« Dazu vier Bilder auf denen der hohe Gast mit Erich Honecker bzw. dessen Auto zu sehen waren. Dem Thema war die gesamte Titelseite und weitere Artikel im Inneren der Zeitung gewidmet.
Die anderen Zeitungen brachten verkürzte Varianten der Schlagzeile: »Italiens Ministerpräsident Bettino Craxi von Erich Honecker herzlich begrüßt« schrieb »Das Volk« aus Erfurt. »Bettino Craxi von Erich Honecker zu offiziellem Besuch in der DDR herzlich willkommen geheißen« titelte die »Märkische Volksstimme« aus Potsdam. »Ministerpräsident der Italienischen Republik weilt zu offiziellem Besuch in der DDR« überschrieb die »Neue Zeit« der CDU.
Gerade in der geballten Form der nebeneinander gehängten Zeitungen in einem Zeitungskiosk widerspiegelt die Presse-Installation in unserer Ausstellung die ganze Trostlosigkeit der Presselandschaft der DDR.
Anmerkung der Redaktion: Der Blogbeitrag erschien erstmals am 28.11.2013.