Aus dem Museum

Das »Wohnzimmer« im DDR Museum

In der komplett eingerichteten WBS-70 Wohnung der Dauerausstellung des DDR Museum ist auch ein Wohnzimmer rekonstruiert worden. Dieses Herzstück wurde mit einer Vielzahl an Informationen und technischen Besonderheiten ausgestattet. (26.10.2022)

Das Wohnzimmer ist der größte Raum in der inszenierten Plattenbauwohnung. Am Ende des Flures angelegt, mit der Küche mittels einer Durchreiche verbunden, erwartet Gäste eine breite Themenvielfalt. Auch in der DDR war das Wohnzimmer der Raum, in dem das Familienleben stattfand. Hier wurde gemeinsam gegessen, gespielt, ferngesehen, erzählt und die Festtafel für die Jugendweihe oder den Geburtstag aufgebaut.

Von Dessau nach Berlin-Mitte

Das nachgestellte Wohnzimmer ist einem durchschnittlichen Wohnzimmer Mitte der 1980er-Jahre nachempfunden und mit vielen originalen Objekten aus der DDR ausgestattet. Hierzu zählen neben einer Carat-Schrankwand, einem Multifunktionstisch sowie verschiedenen Flaschen alkoholischer Getränke u. a. die Fensterrahmen, eine Balkontür, der Heizkörper und die Lichtschalter samt Kabelverkleidung. Da diese Elemente der Grundausstattung einer WBS 70-Wohnung zunächst nicht in der Sammlung des DDR Museum vorhanden waren, mussten sie anderweitig organisiert werden. Dafür wurden verschiedene Wohnungsbaugenossenschaften und Stadtverwaltungen in mehreren Bundesländern kontaktiert, um möglichst originale Einrichtungselemente von noch unsanierten Plattenbauwohnungen zu erhalten. Schließlich gelang es, einen Plattenbau in Dessau ausfindig zu machen, der 2015/16 kurz vor der Sanierung stand und aus dem sämtliche Einrichtungselemente gerettet werden konnten, die es braucht, um eine Wohnung aus DDR-Zeiten originalgetreu einzurichten. Zusätzlich konnten eine Badewanne sowie Fußbodenleisten und ein Sicherungskasten mit Verkleidung in unseren Sammlungsbestand aufgenommen und in die Ausstellung integriert werden.

Wohnzimmer im DDR Museum mit Familie auf dem Sofa

Eine Schrankwand mit überraschendem Inhalt

Das größte Objekt im Raum ist ein wahrer Einrichtungsklassiker der DDR: die Schrankwand »Carat« . Diese konnte beliebig zusammengestellt werden, da die Elemente wie Bar oder Vitrinen einzeln erhältlich waren. Als Ausstellungselement gibt das Möbelstück Informationen u. a. dazu, wie schwierig sich die Wohnungssuche in der DDR gestaltete und welche Möglichkeiten sich der DDR-Bevölkerung boten, das Wohnungsamt zu umgehen. Verschiedene Kaufbelege, z. B. für einen Trabant oder den Colormat-Fernseher, geben Anhaltspunkte für die staatlichen Preisfestlegungen. Grundgüter wie etwa Brötchen, Wohnungsmieten, Strom oder Wasser waren vom Staat subventioniert und sehr günstig, jedoch fielen sehr viele Produkte, zumeist Mangelwaren, unter die Kategorie Luxusgut und waren nur zu beträchtlichen Preisen zu erstehen.

Die Schrankwand ist sowohl mit Dekorationsartikeln wie Vasen, Krügen und Töpferwaren als auch mit einer damals teueren Musikanlage nebst Kassettenkarussell ausgestattet. Hinter zwei Schranktüren sind originale Spielekopien ausgestellt, die liebevoll von Hand gefertigt wurden. Sie veranschaulichen, welchen Aufwand Menschen betrieben, um die Brett- und Kartenspiele des Westens ins eigene Wohnzimmer zu holen. Eine der häufigsten Kopien war übrigens das kapitalistische Monopoly. 

Ein weiterer Teil der Schrankwand widmet sich den Themen Alkoholkonsum sowie Feste und Feiern. Doch auch wenn es viele Feier-, Gedenk- und Kampftage gab sowie die christlichen Feste und DDR-typische Familienfeste wie die Jugendweihe gefeiert wurden, war der Alkohol sehr viel alltäglicher. Bedenklich, wie die Statistik zeigt, schnellten die Pro-Kopf-Verbrauchszahlen in den 40 Jahren nach oben und lagen weitaus höher als in der Bundesrepublik. Dasselbe Bild liefern die Zahlen zum Zigarettenkonsum. Die harten Drogen waren dafür in der Bundesrepublik viel stärker verbreitet, kamen sie doch zumeist gar nicht an den Grenzkontrollen der DDR vorbei.

DDR Museum Wohnzimmer Schrankwand Karat Bar

Anfassen, Anhören, Anschauen, Abstimmen...

Wie in der restlichen Dauerausstellung, sind im nachgestellten Wohnzimmer verschiedene interaktive Stationen zu finden, die vielleicht die eine oder andere Erinnerung hervorruft. Einige davon wie die Schreibmaschine »Erika« (entworfen vom Produktgestalter Karl-Clauss-Dietel) können sogar ausprobiert werden –Besucherinnen und Besucher dürfen hier nach Herzenslust tippen. Nicht selten erreichen uns so witzige, liebevolle und interessante kleine Botschaften. 

Die im Couchtisch eingelassene Fernseh-Installation mit Touchscreen umfasst Ausschnitte des Programms vom 5. März 1984, einem ganz gewöhnlichen Montag. Auf dem Screen wird ein Clip ausgewählt, der dann auf einem originalen Fernsehapparat wiedergegeben wird. Sandmännchen, Schwarzer Kanal und Schulfernsehen werden erweitert durch ARD- und ZDF-Sendungen, die damals, wenn auch vom Staat verpönt, von vielen DDR-Haushalten empfangen wurden. So war es möglich, die heute-Nachrichten, die Tagesschau oder das »West-Sandmännchen« zu sehen. Lediglich in einigen kleinen Gebieten, insbesondere um das weit östlich gelegene Dresden, konnten sich die Bürgerinnen und Bürger nicht zensurfrei darüber informieren, was in der Welt und auch im eigenen Land vor sich ging.

DDR Museum Wohnzimmer Esstisch mit Vater und Tochter an der Schreibmaschine

Einen Einblick in bekannte Literatur sowie in die Hitparaden bieten die DDR Museum-Charts. Besucher*innen können auf einem Display knapp 100 bekannte Musiktitel anhören und mit »Gefällt mir« markieren. Das System merkt sich, welche Titel angehört und markiert wurden und errechnet daraus live eine Beliebtheitsliste. Neben der Musik sind auch Hörproben bekannter Bücher aus der DDR, beispielsweise Ulrich Plenzdorfs »Die neuen Leiden des jungen W.« oder »Franziska Linkerhand« von Brigitte Reimann, verfügbar.

Ein besonderes Highlight sind die digitalen Fenster, die auch im Kinder- und Jugendzimmer, Schlafzimmer sowie im Kindergartenraum zu finden sind. Das DDR Museum selbst liegt unterirdisch. Die rekonstruierte Plattenbauwohnung hingegen befindet sich im fiktiven 5. Stockwerk. Auf 84 Zoll großen Bildschirmen hinter (originalen) DDR-Fenstern blickt man auf eine digital rekonstruierte Plattenbaulandschaft, die man auch von der Trabant-Fahrsimulation am Beginn der Dauerausstellung kennt. So wird nicht nur der typische Ausblick auf die Plattenbau-Romantik gezeigt, sondern auch verschiedene Wetterszenarien, Tageszeiten und Lichtstimmungen.

Anmerkung der Redaktion: Der Blogbeitrag wurde erstmals am 4. Oktober 2016 veröffentlicht.

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