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"Dann geh doch rüber - Über die Mauer in den Osten"

Unser heutiger Schatz aus der Bibliothek widmet sich einem etwas anderen und weniger präsenten Blickwinkel auf Grenzübertretungen und Fluchten über die Mauer. Allgemein bekannt sind die unzähligen erfolgreichen und missglückten Fluchten aus der DDR Richtung Westen. Weniger bekannt sind die mehreren hundert Fälle, in denen die Mauer in die Gegenrichtung überklettert wurde: von West nach Ost!
(12.08.2014)

Unser heutiger Schatz aus der Bibliothek widmet sich einem etwas anderen und weniger präsenten Blickwinkel auf Grenzübertretungen und Fluchten über die Mauer. Allgemein bekannt sind die unzähligen erfolgreichen und missglückten Fluchten aus der DDR Richtung Westen. Weniger bekannt sind die mehreren hundert Fälle, in denen die Mauer in die Gegenrichtung überklettert wurde: von West nach Ost! Mit einigen dieser Fälle und ihren zugrundeliegenden Motiven beschäftigte sich zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls der stellvertretende Direktor des Einstein Forums Dr. Martin Schaad in seinem Buch "Dann geh doch rüber - Über die Mauer in den Osten".

Die Gründe, welche die sog. "Mauerspringer" veranlassten, den direkten Weg in den Osten zu nehmen, anstatt wie alle anderen einen Grenzübergang zu benutzen, sind vielfältig gewesen. Sie reichten von ordinärer Abenteuerlust im Sinnesrausch übermäßigen Alkoholkonsums über leichtfertige Wetten mit Kumpanen, bis hin zu simpler geistiger Verwirrung. Aber auch ganz reale, nachvollziehbare und menschliche Motive trieben die "Grenzverletzer" zu ihren Taten: So waren oft Liebe und Sehnsucht involviert und mit dem, in einigen Fällen medienwirksam inszenierten, Mauersprung sollte die Ausreise eines geliebten Menschen aus der DDR beschleunigt werden. Oder es ward das Heimweh eines ausgewanderten DDR-Bürgers zu groß geworden, der "normale" Rückweg aber durch die Verweigerung der Wiedereinreise versperrt. Auch spielten nicht selten Aggressionen gegen das DDR-Regime eine Rolle, sodass der Grenzübertritt und die Überkletterung der Mauer ein politisches Statement und den Protest gegen die SED-Diktatur verdeutlichen sollte.

Legendär in Erinnerung geblieben sein mag dem ein oder anderen auch der "Mauerläufer" John Runnings mit seinen diversen Aktionen. Eine Woche vor dem 25. Jahrestag des Mauerbaus ging das Bild des 68-jährigen Rentners um die Welt, wie er am Potsdamer Platz, rittlings auf der Mauer sitzend, mit einem fünf Kilo schweren Vorschlaghammer auf die Betonrolle einschlug. Bevor er das Werkzeug dann auf der Ostseite herunterfallen ließ und sich nach einem kurzen Spaziergang auf der Mauer den DDR-Grenzern stellte, war es ihm noch gelungen, ein Betonteil aus der Mauerkrone zu schlagen. Daher wurde er nach dem Fall der Mauer auch als "Vater der Mauerspechte" bezeichnet.

 

Das Buch "Dann geh doch rüber - Über die Mauer in den Osten" ist in angenehm flüssigem und vergnüglichem Stil geschrieben und nimmt den Leser mit auf einen unterhaltsamen Streifzug durch die West-Berliner Mauerzeit. An zahlreichen Fallbeispielen schildert Martin Schaad anschaulich die unterschiedlichen Motive der "Grenzverletzer" und analysiert die Reaktionen des Ministeriums für Staatssicherheit. Die dramatischen, tragischen und zuweilen kuriosen Geschichten der "Mauerspringer" machen das Buch zu einer fesselnden Lektüre.

"Dann geh doch rüber - Über die Mauer in den Osten" von Martin Schaad ist Mitte 2009 im Berliner Christoph Links Verlag erschienen. Im DDR Museum fand dazu im Rahmen unserer regelmäßigen Veranstaltungsreihe auch eine multimediale Buchvorstellung mit dem Autor statt. Das Buch hat die ISBN 978-3-86153-516-4 und ist für 4,99 € erhältlich.


 

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