DDR-Design

Als Künstler zu Gast in der GÜST: Wie es zu den Stelen in Drewitz und anderswo kam

Thema des heutigen Blogbeitrags von Günter Höhne sind die markanten Stelen, die auf DDR-Seite der innerdeutschen Grenzübergangsstellen (GÜST) erbaut wurden. (27.10.2015)

Am Ende sah das Ding aus wie ein riesiges Schlüsselloch ohne Schloss. Welch tiefe Symbolik. Denn nun war tatsächlich die Tür aufgebrochen, die 28 Jahre lang verriegelt und verrammelt war zwischen Deutschland Ost und Deutschland West...

„Begrüßungs-Stelen“ hießen diese ab Mitte der Siebzigerjahre in den geteilten Himmel ragenden Monumente aus Beton, errichtet auf DDR-Seiten der innerdeutschen Grenzübergangsstellen (GÜST) und damals das DDR-Enblem stolz in der Krone tragend. An den Kontrollhäuschen und Zoll-Rampen der diensttuenden „Organe“ der DDR fiel die „Begrüßung“ der Transitreisenden und Besucher aus dem Westen dann allerdings weniger feierlich aus.

Gedacht waren die Doppelstelen als Landmarken innerhalb eines ganzen Komplexes „künstlerischer Ausgestaltung der GÜST“, für den die parteieigene Werbeagentur DEWAG verantwortlich zeichnete. Praktisch umsetzen sollten das Konzept Mitglieder des Verbandes bildender Künstler der DDR, und nun suchte dessen Vorsitzender Walter Womacka händeringend in seinen Reihen nach Leuten, die den heiklen Auftrag annehmen würden. Einer erschien ihm schließlich geeignet, sich darauf einzulassen: der (parteilose!) Berliner Tausendsassa Lutz Brandt, als Plastiker, Grafiker und Maler unter anderem bereits im Künstlerkollektiv zur Ausgestaltung der X. Weltfestspiele 1973 einfallsreich aktiv. Der erinnert sich heute, wie er zu dieser „Ehre“ kam: „Womacka meinte wohl, ich hätte das Zeug und den Witz dafür, so eine kitzlige Sache zu machen. Aber ja doch! So eine bizarre Aufgabe – das musste ich einfach mal probieren, und es nahm wirklich auch sehr skurrile Züge an.“

Um die Entwürfe zu zeichnen, sollten der Künstler und sein DEWAG-Partner sich erst einmal ein Bild von den Gegebenheiten an den GÜST machen. Das ging so weit, dass die beiden in Drewitz/Dreilinden „bis an die Rote Linie herankamen, begleitet natürlich von einem Grenzer mit Kalaschnikow an der Hüfte und ich dort fotografieren konnte. Denn schließlich, so argumentierte ich, mussten wir doch eine Vorstellung davon haben, wie sich das zu entwerfende künstlerische Szenario vom Westen aus darstellen würde“, erzählt Lutz Brandt grinsend.

Als er dann aber dem GÜST-Kommandanten eine freundliche Begrünung des öden Geländes ausmalt, erwidert der kurz und knapp nur: „Wir brauchen Schussfeld!“ Damit vergeht dem Gestalter schlagartig der Spaß an der „bizarren Aufgabe“ und er steigt aus. – Knapp zehn Jahre später übrigens überhaupt aus der DDR. Seit 1984 lebt und arbeitet der heute 77-Jährige erfolgreich und nach wie vor mit viel Witz im Westen Berlins. Nach dem Film mit den GÜST-Aufnahmen ist er übrigens nie gefragt worden. Den hat er damals erleichtert auf Walter Womackas Schreibtisch „entsorgt“.

Bild und Text: Günter Höhne

 

Bild:

Grenzstele mit entferntem DDR-Staatswappen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze vor Berlin-Dreilinden (Foto Günter Höhne, 1991)  

 

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