Aus dem Museum

Die WBS 70-Plattenbauwohnung

Seit dem Sommer 2016 können Besucher*innen im DDR Museum eine authentisch eingerichtete Plattenbauwohnung des Typs WBS 70 erkunden. Dieser Blogartikel gibt Einblicke über einige besondere Details der Wohnung.
(01.09.2016)

Wer sich an die DDR erinnert, hat oft das Bild von Städten im Kopf, deren Erscheinungsbild von Plattenbausiedlungen geprägt wird. Eine Neubauwohnung war zu DDR-Zeiten der Traum vieler Menschen, da moderner Wohnraum schwer zu bekommen war. Mit jeder Menge Liebe zum Detail und wissenschaftlicher Recherchearbeit hat das Ausstellungsteam die nachempfundene Dreiraumwohnung des Typs WBS 70, dem meistgebauten Plattenbautyp, mehr als 1,5 Jahre entwickelt und mit unzähligen originalen Gegenständen ausgestattet. 

Nahezu authentisch stellt sich den Besucher*innen eine Wohnung dar, während hinter Klappen und Türen ein musealer Blick auf den privaten Alltag in der DDR geworfen werden kann.

Kurzer Rückblick: Wohnen in der DDR

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte auf dem Gebiet der DDR akuter Wohnraummangel, der sich auch im Laufe der 40 Jahre ihrer Existenz nicht beheben ließ. Schon unter Walter Ulbricht wurden staatliche Wohnungsbauprogramme ins Leben gerufen, die weit hinter den Bedürfnissen zurückblieben. Erst mit der Machtübernahme Erich Honeckers wurden ab den frühen 1970er-Jahren große Bauvorhaben geplant und umgesetzt, die das Aussehen ganzer Stadtteile veränderten, z. B. Berlin-Marzahn, Halle-Neustadt oder Hoyerswerda. Der Wohnungsmangel blieb aber aufgrund der verfallenden Altbauten weiterhin ein Problem, das die DDR nicht mehr lösen konnte. 

Stasi-Abhörraum

Nicht ganz so gut versteckt wie es in Wirklichkeit der Fall war ist der Raum, in dem Besucher*innen mit Kopfhörern die Gespräche der anderen in den Wohnräumen belauschen können. Vor dem Eingang der nachgestellten Wohnung, in der sich an einigen Stellen Abhörwanzen befinden, wird über die Arbeit der Staatssicherheit und deren Inoffizielle Mitarbeiter (IM) informiert. Auch wenn die Wohnraumüberwachung, der Auftrag B, nicht sehr häufig durchgeführt wurde, war es für das Ausstellungsteam unverzichtbar, auf diese vielleicht intimste Form der Überwachung aufmerksam zu machen. Dabei geht es darum, das beklemmende Gefühl zu verdeutlichen, nicht alles laut sagen und auch nicht sicher sein zu können, wer einem gerade zuhört.

Abhörraum Staatssicherheit im DDR Museum

Das Wohnzimmer

Über einen typischen Hauseingang eines Plattenbaus, an dem man neben einem Klingelspiel auch Informationen zu anderen Wohnformen erhält, betritt man einen Fahrstuhl, der eine Fahrt ins 5. Obergeschoss simuliert. Dort angekommen, befindet man sich im Flur der Drei-Raum-Wohnung, die mit originaler Plattenbau-Grundausstattung eingerichtet ist. Der größte Raum der Wohnung ist das Wohnzimmer. Hier kann man am Esstisch Platz nehmen oder vom Sofa aus über einen in den Multifunktionstisch eingelassenen Touchscreen das Fernsehprogramm aus Ost und West steuern.

In der gegenüberliegenden Carat-Schrankwand werden weitere Themen rund um das Privatleben und Wohnen mit vielen Objekten erklärt, z. B. Wohnungssuche, Feiern, Gesellschaftsspiele, Alkoholkonsum, Grund- und Luxusgüter sowie Literatur und Musik.

Ein Highlight: Was in der DDR die Hitparade war, sind im DDR Museum die Museumscharts. Besucher*innen können viele Lieder, die in der DDR bekannt und beliebt waren, anhören und für ihren Liebling abstimmen. 

Weiteres zum Wohnzimmer ist hier zu lesen.

Wohnzimmer im DDR Museum

Die Küche

In der Küche kann man sich nicht nur über die Ernährung, den Lebensmittelkonsum und Vorratshaltung in der Mangelwirtschaft informieren, sondern sich gleich auch aus einer Vielzahl von Rezepten am digitalen Rezeptedrucker eine kulinarische Anregung für Zuhause mitnehmen. Außerdem eine Besonderheit: der digitale Kühlschrank. In diesem befinden sich hinter einem transparenten Touchscreen diverse Produkte mit Statistiken zu den Essgewohnheiten in der DDR.

Provokativ wurde auch das große Thema der Gleichberechtigung der Frau in die Küche aufgenommen. Man kann anhand des »Gleichberechtigungsspiels« die eigene Expertise zum Thema unter Beweis stellen.

Die Küche ist hier im Detail beschrieben.

Küche mit Vater und Sohn im DDR Museum

Das Bad

Die Nasszelle der Wohnung behandelt die Themen Gesundheit und Hygiene. Neben Informationen über das Gesundheitssystem vermitteln ein Screen in der Waschmaschine und ein Hygienespiel, auf welche Art und Weise Gesundheitsaufklärung in der DDR betrieben wurde. Das Badezimmer ist außerdem mit der originalen Sanitärausstattung aus einem WBS 70-Plattenbau aus Dessau ausgestattet.

Hier gibt es noch mehr Details zum Badezimmer der Ausstellung.

Badezimmer im DDR Museum

Das Schlafzimmer

Der weitere Weg durch den Flur der musealen WBS 70-Wohnung führt ins Elternschlafzimmer. Eine Projektion auf das ordentlich unter einer Tagesdecke verborgene Doppelbett beschäftigt sich mit dem Intimsten: Verschiedene Statistiken klären im Ost-West-Vergleich über das Erste Mal, die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs oder das Fremdgehen in beiden deutschen Staaten auf. Weitere Informationen und Objekte zu Liebe, Ehe und Kinderwunsch befinden sich in den Schubläden.

Im Schlafzimmer darf natürlich der Kleiderschrank nicht fehlen. Wie in vielen Lebensbereichen der DDR waren auch moderne Kleidungsstücke oft nur schwer zu bekommen. Frauen und Männer wurden deswegen selbst kreativ, besorgten sich Stoffe und Accessoires und nähten zu Hause das, was die Läden nicht hergaben. Die Schnittmuster lieferten verschiedene Modezeitschriften, die man über einen Bildschirm im Schrank findet. Außerdem kann man anhand der verschiedenen Stoffproben ein Gespür für DDR-Textilien wie Dederon oder Wolpryla bekommen.

Doch damit nicht genug! Eine eigens für das DDR Museum entwickelte Software macht es möglich, verschiedene DDR-Kleidung digital anzuprobieren und sich in einem digitalen Spiegel zu betrachten. Selbstverständlich lässt sich das Bild lange genug einfrieren, um ein ganz besonderes Selfie zu schießen.

Schlafzimmer im DDR Museum

Das Kinder- und Jugendzimmer

Am Ende des Flurs tauchen die Gäste in die Welt der Kinder und Jugendlichen in der DDR ein. In dem farbenfrohen Zimmer mit roten Jugendmöbeln und Sonnenblumentapete, die die Facebook-Community des DDR Museum in einer Umfrage auswählte, gibt es vieles zu entdecken. Neben dem Doppelstockbett befindet sich die Pionierbluse mit Halstuch, das (anhand der Anleitung) richtig geknotet werden muss. Kinderliteratur, Kindheitsbegleiter wie das Sandmännchen oder Pittiplatsch und Spielsachen dürfen in diesem Zimmer nicht fehlen.

Die gegenüberliegende Jugendschrankwand zeigt neben den berühmten Mosaik-Comics oder Lehrspielen, wie früh schon Jugendliche erste politische Entscheidungen treffen mussten. Sowohl über das Spiel »Der Weg ins Leben« als auch über andere Inhalte lässt sich der Einfluss der Politik auf die jungen Menschen nachvollziehen.

Darüber hinaus geben einzelne Schrankfächer Einblick in das Leben und die Hobbys der Heranwachsenden. Insbesondere das aufwendige Diorama zu dem Bruce Springsteen-Konzert in Berlin-Weißensee 1988 überrascht.

Was noch im Kinder- und Jugendzimmer zu finden ist, wird hier beschrieben.

Kinder- und Jugendzimmer im DDR Museum

Die Garage

Bevor man das DDR Museum verlässt, kann ein Blick in eine alte DDR-Garage erhascht werden. In dem kleinen Bastlerparadies wurde nicht nur diverser Hausrat zur Reparatur gelagert, sondern mit großer Kreativität Nützliches gebastelt. In der Garage erwartet die Besucher*innen außerdem eine Simson Schwalbe KE 51/2, die beim Vorbeigehen ihre Startgeräusche zum Besten gibt.

Weitere Einblicke in die Garage gibt es hier.

Garage mit Simson Schwalbe im DDR Museum

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