Das 25. Jubiläum der 'Wende' ist noch lange nicht vorbei. Auch nächste Woche jährt sich ein weiteres wichtiges Ereignis zum 25. Mal: Der Sturm auf die Stasi-Zentrale am 15. Januar 1990. In Erinnerung daran wird nächste Woche Samstag im Rahmen eines Bürgertages die Dauerausstellung "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" in der ehemaligen Stasi-Zentrale eröffnet, wo auch wir vertreten sein werden. Pünktlich dazu hat auch der Christoph Links Verlag zusammen mit dem Deutschlandfunk das Hörbuch "Abgesang der Stasi" herausgegeben.
Diese CD enthält einzigartiges Tonmaterial aus den originalen Aufzeichnungen der Stasi-Telefonzentrale. Das Feature von Elke Kimmel und Marcus Heumann präsentiert eine Auswahl aus diesem hochspannenden und einzigartigen Material vom September 1989 bis Januar 1990 und liefert damit eine fesselnde Innenansicht des MfS in der Zeit seiner Auflösung. Anfängliche Arroganz im Umgang mit den Anrufern aus der Bevölkerung, trotziges Beharren oder Selbstmitleid im Gespräch mit den eigenen Genossen gehen nach und nach über in Ratlosigkeit und Resignation. Auf Seiten der Anrufer dagegen nehmen Zivilcourage und Wut zu.
Zu hören sind Spitzelberichte von Informanten aus der ganzen Republik, Mitschnitte aus den MfS-Bezirksverwaltungen, u.a. von Demonstrationsobservationen und Schulungsveranstaltungen für die MfS-Mitarbeiter sowie Beispiele für stasiinterne Kommunikation, die mitunter auch die Befindlichkeiten im Mielke-Ministerium selbst enthüllen. Auch die Mitschnitte von Anrufen besorgter oder zorniger Bürger, die vom Diensthabenden z.B. Auskunft über das Schicksal ihrer bei Demonstrationen verhafteten Angehörigen verlangen sind zu hören.
Chronologisch finden Sie auf dem Hörbuch die Mitschnitte in folgende Kapitel gegliedert:
Die beiden Autoren haben die O-Töne behutsam mit Einspielungen, Kommentaren und Nachrichten des Tages ergänzt und ordnen so das Gehörte in die Abfolge der sich überschlagenden Ereignisse ein.
Nachdem ich mir soeben den "Abgesang der Stasi" komplett angehört habe, kann ich Ihnen aus erster Hand sagen, dass diese Tondokumente ein Kaleidoskop von unterschiedlichsten Eindrücken vermitteln. Obwohl die Überwachungstätigkeiten allgemein bekannt sind, ist es doch unheimlich zu hören, wie offizielle und inoffizielle Mitarbeiter minutiös bspw. von der Gründungsveranstaltung des Neuen Forums berichten, Aussagen und Reaktionen rapportieren und dazu mitunter detaillierte Personenbeschreibungen liefern. Auch die Emotionen der Bürger gehen nahe. So hört man eine Mutter, die unter Tränen um eine Informationen bittet. Sie möchte wissen, was mit ihrem Sohn geschehen ist, der, wie sie vermutet, am Vortag bei einer Demo verhaftet worden war. Doch auch eine gewisse Belustigung kommt auf, bspw. bei den Mitschnitten des 9. Novembers 1989. Zunächst berichtet ein MfS-Mitarbeiter um 21:54 Uhr von einer kleinen Menschenansammlung am Brandenburger Tor auf Westberliner Seite und ist ganz überrascht, als die Zentrale antwortet, dass sie auch auf 'unserer' Seite schon stehen. Und folgender Dialog am inzwischen 10. November um 5:22 Uhr morgens ließ mich dann wirklich schmunzeln:
"So, willste mal ne Situation an den Grenzen haben? Bornholmer Straße:"
"Hmm"
"Ausreise 300 – 400 pro Minute" – kurz Stille, dann brechen beide in hilfloses Gelächter aus. "Ach, jetzt wird schon in Minuten gerechnet?!" […]
"Invalidenstraße: ca. 3000 pro Stunde. Checkpoint: starker Reiseverkehr, aber Zahlen können se da nicht geben. Heinrich-Heine-Str.: sehr sehr starker Verkehr, in den letzten 2 Stunden ca. 14 000 Personen und 2500 PKWs..."
Im Booklet finden Sie dann neben Informationen zur Entstehung der CD auch Zahlen, Daten und Fakten zum Ende des MfS/AfNS.
Das Hörbuch "Abgesang der Stasi" ist ganz neu in dieser Woche im Christoph Links Verlag erschienen. Und ab heute dann auch, wie schon das Hörbuch "Der Sound des Untergangs" mit den Tonmitschnitten aus den letzten Sitzungen des SED-Zentralkomitees, sowohl in unserem Museumsshop vor Ort als auch in unserem Online-Shop erhältlich.