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Unsre Heimat – Ein Lied in 49 Objekten

Die Sonderausstellung »Unsre Heimat – Ein Lied in 49 Objekten« veranschaulichte die Schlüsselbegriffe des Liedes »Unsre Heimat« durch passende Exponate aus der Sammlung des Museums. In diesem Blogbeitrag stellen wir einige Objekte vor. von Dr. Stefan Wolle (10.06.2025)

Heimat in der DDR – eine Spurensuche

Der heute so umstrittene Begriff Heimat spielte in der DDR eine wichtige Rolle. Wo aber lag diese Heimat? War es das sozialistische Vaterland, das es gegen die Angriffe von außen zu schützen galt, oder existierte die Heimat jenseits des Staates und seiner Ideologie? War es die Region, die Landschaft, die Kultur, der heimatliche Dialekt, der Geburtsort? War Heimat vielleicht sogar ein Schutzraum gegen eine zentralisierte und übergriffige Staatsmacht, die lange Zeit wenig mit den historisch gewachsenen Landschaften im Sinn hatte, und erst in ihrer Spätzeit das Heimatgefühl wieder zu pflegen begann?

Nach dem Ende der DDR haben viele ihre Heimat als verlorene Identität neu entdeckt, manche sogar als das Zuhause, das eine Gegenwelt zu der kritisch gesehenen modernen und weltoffenen Gesellschaft darstellt. Für andere war sie gar eine Art Naturschutzgebiet, in der das Althergebrachte bewahrt wird und Fremdes nichts zu suchen hat.

Lauter Fragen und wenig Antworten, die auf einen Nenner zu bringen wären. Wir haben uns in der Sonderausstellung zum Thema Heimat an dem bekannten Lied »Unsre Heimat« entlang bewegt und versucht, die Sichtweisen auf den Heimat-Begriff in der DDR mit symbolischen Gegenständen zu illustrieren.

Aufgeschlagenes Buch mit Noten und Text des Liedes »Unsre Heimat«, umrandet von bunten Illustrationen

»Unsre Heimat« – ein Lied als Schlüssel zum Heimatverständnis in der DDR

Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt wenigstens die ersten Zeilen des Liedes und kann sofort mitsummen. Vielen wird dabei warm ums Herz werden, denn das Lied wurde seit 1951 in den Schulen und bei den »Jungen Pionieren« oft gesungen. Wer das Lied noch nicht kennt, wird sich schnell von der hübschen Melodie und dem poetischen und scheinbar unpolitischen Text einfangen lassen.

Der Liedtext stammt von Herbert Keller, die Melodie von Hans Naumilkat. Beide widmeten ihr künstlerisches Schaffen über Jahrzehnte hinweg der sozialistischen Erziehung der Jugend. Viele ihrer Lieder standen in den Schulbüchern und den in immer neuen Auflagen erscheinenden Liederbüchern der Thälmannpioniere und der FDJ. Sie fanden so eine weite Verbreitung – »Unsre Heimat« aber wurde zu einem echten Volkslied.

In der Sonderausstellung wurden die Schlüsselbegriffe des Liedtextes durch passende Exponate veranschaulicht. Es finden sich unter anderem Themen wie Wald, Gras, Korn, Volk, Schutz, Dörfer und Städte. Jedes der Wörter wird kritisch kommentiert und mit der DDR-Realität verglichen.

Waren es die Städte und Dörfer, die manche Besucher*innen aus dem Westen als deutscher empfand als die eigene Heimat im Westen? War Heimat also die verfallene historische Bausubstanz oder die von Chemikalien verseuchten Flüsse, die Wälder, in denen wegen der Luftverschmutzung die Nadeln von den Bäumen fielen? Die Heimat zu beschützen, fordert das Lied. Gehörte zu diesem Schutz auch der Stacheldraht, der die Bewohner der Zwangsheimat am Weglaufen hinderte?

Heimat – ein Puzzle aus vielen Teilen

So hat die SED-Führung ihren Staat gern gesehen. Ein Puzzle aus vielen Teilen, das sich zu einem großen geschlossenen und vielfältigen Bild zusammenfügt. So entsteht eine kleine Bilderwelt mit allen Motiven aus dem Märchenbuch des Sozialismus. Für jedes Städtchen und jede Region gibt es ein buntes Bildchen. Natürlich fehlen die Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung nicht. Der Karl-Marx-Kopf aus der Stadt gleichen Namens, die heute wieder Chemnitz heißt, fällt sofort auf. Etwas versteckt entdeckt man das Lenin-Denkmal in Mansfeld und das Porträt des ersten und einzigen Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck in der nach ihm genannten Wilhelm-Pieck-Stadt-Guben. Viele Industriebauten sind zu sehen, aber auch historische Architektur wie die Wartburg bei Eisenach. Was fehlt sind die Grenzanlagen mit ihren Minen und Selbstschussanlagen. Auch die Mauer in Berlin ist nicht zu entdecken. West-Berlin ist auf einen kleinen gelben Fleck reduziert und hat nicht einmal einen Namen. Berlin ist natürlich allein die Hauptstadt der DDR, repräsentiert durch den Fernsehturm, das Hotel Stadt Berlin am Alex und den Palast der Republik, das Riesenrad im Plänterwald und das sowjetische Ehrenmal in Treptow.

Offener Puzzle-Karton mit einer bunten Abbildung der Deutschen Demokratischen Republik und deren historischen und ideologischen Symbole als Illustrationen

Ernte als Heimatbild – Der Mähdrescher als Symbol

»Unsre Heimat … ist das Korn auf dem Feld« heißt es in dem Lied. In unserer Ausstellung stand symbolisch für diese Textzeile ein Mähdrescher-Modell aus dem Barnim Panorama in Wandlitz. Diese Erntemaschine war in der sozialistischen Bilderwelt von Anfang an ein zentrales Motiv. Meist fuhr sie durch golden wogende Kornfelder mit lachenden Genossenschaftsbauern und vor allem Bäuerinnen. Das Bildmotiv signalisierte die Überwindung des Hungers, denn jeder wusste, dass man aus Getreide Brot macht. Zugleich aber symbolisierte der Mähdrescher auch die Möglichkeiten einer großflächigen Landwirtschaft, die erst durch die Kollektivierung möglich gemacht wurde. Der »Fortschritt E 517« war eine der Errungenschaften, die im Rahmen der agrar-industriellen Komplexwirtschaft seit 1987 zum Einsatz kam. Er wurde im Landmaschinenwerk Bischofswerda/Singwitz, einem Betriebsteil des VEB Kombinat Fortschritt hergestellt. Der hochmoderne Mähdrescher konnte das Erntegut, meist Getreide, vorne schneiden und innerhalb der Maschine verarbeiten, dass heißt das Korn vom Stroh trennen, welches hinten zu Ballen gebunden herausfiel.

Mähdrescher-Spielzeugmodell aus Plastik

Zwischen Ironie und Kritik: »Unsre Heimat« neu gedichtet

Wo Heimatgefühle gepflegt werden ist der Kitsch nicht weit. Und Kitsch, besonders politischer Kitsch, ruft Ironie hervor. Denn um die Wälder, die Bäume und die Fische im Fluss war es nicht gut bestellt in der DDR. Eine ironische Umdichtung des Liedes »Unsre Heimat« wurde im Oktober 1989 von Schüler*innen der »Station Junger Naturforscher und Techniker« unter der Leitung von Hubert Illig in Luckau gedichtet und auf dem Marktplatz der Stadt vorgetragen. Ein ironischer Abgesang auf den scheinbaren Einklang von Mensch und Natur im Sozialismus.

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