Aus der Sammlung

10 Dinge aus dem Homeoffice in der DDR

Homeoffice in der DDR? Unser Sammlungsleiter hat sich gefragt, wie ein Homeoffice-Tag in der DDR hätte aussehen können und führt mit zehn Objekten aus der Sammlung durch einen fiktiven Tag. von Jörn Kleinhardt (01.04.2020)

In Zeiten von eingeschränktem Ausgang für einen beträchtlichen Teil der Weltbevölkerung stellen wir uns vor, wie so ein Homeoffice-Tag eigentlich in der DDR ausgesehen hätte und welche Objekte in dieser fiktiven Retrospektive wohl eingesetzt worden wären. Natürlich hätte auch zu DDR-Zeiten ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung, vor allem im produzierenden Sektor und im Dienstleistungssektor, keine Heimarbeit machen können. Aber für einen gewissen Teil der Bevölkerung wäre verordnete Heimarbeit durchaus denkbar gewesen.

 

1. Tischtelefon »RFT Variant 045«

Schnell mal das Smartphone nehmen und telefonieren, eine Mail an die Kollegen schreiben oder gar ein Videochat waren damals undenkbar! Erste Computer für den Heimgebrauch gab es erst ab Mitte der 1980er-Jahre, Mobilfunk und das Internet setzten sich erst in den 1990er-Jahren durch. Daher konnte unser, ins Homeoffice delegierter Bürger lediglich zum stationären Telefonhörer greifen, um mit den Kollegen schnellstmöglich in Kontakt zu treten. Sofern er zu den glücklichen Menschen gehörte, die über einen Telefonanschluss verfügten. Im Jahr 1988 hatte lediglich jeder zehnte Haushalt in der DDR ein Telefon. Gängige Geräte waren in den 1980er-Jahren erste Tasten- und Wählscheibentelefone aus dem VEB Fernmeldewerk Nordhausen. 

Wählscheibentelefon RFT Variant 045 in olive-grün

2. Schreibmaschine »Erika«

Wer daheim ein Schriftstück aufsetzen wollte, nahm sich entweder Stift und Papier oder konnte, sofern vorhanden, auf eine Schreibmaschine zurückgreifen. Die wohl berühmteste Schreibmaschine der DDR hörte auf den Namen »Erika« und wurde in Dresden hergestellt. Die traditionsreiche Firma »Seidel & Naumann« produzierte dort bereits seit den 1870er-Jahren Schreibmaschinen, 1910 kam dann die »Erika 1« auf den Markt, benannt nach der Enkeltochter des Firmengründers Karl Robert Bruno Naumann zu Königsbrück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb enteignet und firmierte ab 1951 unter dem Namen VEB Schreibmaschinenwerk Dresden. 1979 wurde der Betrieb in das Robotron Kombinat eingegliedert und produzierte am Standort bis 1990 »Erika«-Schreibmaschinen. Das Modell unseres Heimarbeiters stammt aus den frühen 1980er-Jahren und wurde vom berühmten Designer (in der DDR sagte man Produktgestalter) Erich John entworfen. Neben dem gelben Modell gab es zahlreiche andere Farbkombinationen.

Schreibmaschine Erika in schwarzem Koffer, aufgeklappt gelb

3. Kaffee »Rondo«

Zum Start in den Tag gehörte und gehört für viele Deutsche eine Tasse Kaffee, völlig unabhängig davon, ob man Zuhause ist oder im Büro. So auch in der DDR und unserem Homeoffice-Szenario. Im Jahr 1987 verbrauchte jede*r Bürger*in durchschnittlich 3,8 kg gerösteten Bohnenkaffee, 1975 waren es erst 2,4 kg pro Kopf. Kaffeebohnen mussten durch die DDR teuer auf dem Weltmarkt eingekauft werden, entsprechend waren die Preise für Kaffee für den Endverbraucher sehr hoch. Angeboten in verschiedenen Qualitätsstufen kostete ein Kilo Kaffee bis zu 70 Mark der DDR. So beispielsweise unsere Packung »Rondo« aus dem VEB BERO Kaffee und Extrakt Berlin. Die Packungen waren relativ klein dimensioniert, üblich waren Verpackungseinheiten mit 125g Füllmenge. Kalkuliert man den durchschnittlichen Pro-Kopf-Kaffeeverbrauch von 1987 anhand von Rondo-Packungen, so benötigt unser Kaffeetrinker für das Kalenderjahr insgesamt 30,4, also 31 Päckchen Kaffee für insgesamt 271,25 Mark der DDR.

Kaffee Rondo in silber-blauer Verpackung

4. Radio »Stern Recorder R160«

Wer sich über tagesaktuelle Ereignisse informieren oder einfach nur ein wenig Musik hören wollte, der schaltete damals das Radio ein. In den 1980er-Jahren besaß nahezu jeder Haushalt einen Rundfunkempfänger, doch bereits 1960 kamen statistisch auf 100 Haushalte 89,9 Radios. Das Medium war also weit verbreitet, auch in der Wohnung des Heimarbeiters stand selbstverständlich ein Rundfunkempfänger. Doch was gab es zu hören? Der Rundfunk der DDR strahlte überregional insgesamt fünf Sender aus. »Radio DDR 1« sorgte für Unterhaltung und Nachrichten, »Radio DDR 2« für Kultur und Bildung. Neben dem Informationssender »Stimme der DDR« gab es noch den »Berliner Rundfunk« als DDR-weit gesendetes Regionalprogramm. Ab Mitte der 1980er-Jahre etablierte sich noch das Jugendradio »DT64«, benannt nach dem Deutschlandtreffen der Jugend 1964, als eigenständiges Programm. Im Grenzgebiet zur Bundesrepublik und um den Westen Berlins war zusätzlich der Empfang westlicher Sender möglich.

Für unseren ins Homeoffice beorderten Nutzer haben wir uns exemplarisch für ein »Stern Recorder R160« aus dem VEB Stern-Radio Berlin entschieden. Das Modell stammt aus dem Jahr 1976 und kostete damals 880 Mark. Auch unterwegs konnte das 5 kg schwere Gerät mithilfe von Batterien genutzt werden, aber der Gang nach draußen steht ja in unserem Szenario nicht zur Debatte. Das Gehäuse ist aus Pressspan gefertigt und mit Furnierfolie beklebt. Obwohl es lediglich über einen Monolautsprecher verfügt, war der Klang des Radios erstaunlich gut.

Radio Stern Recorder R 160

5. Konserve »Original Meißner Delikat Bockwurst«

Ein typisch deutsches Essen ist die Bockwurst. Auch unser Zuhause sitzender Bürger hat noch eine Dose mit Würsten in seinem Vorratsschrank aufgetan, weil ihn der Hunger in die Küche getrieben hat. Aber blicken wir erstmal kurz in die Vergangenheit:

Nach einer Berliner Überlieferung sollen die Bockwurst und ihr Name im Jahre 1889 in Berlin entstanden sein. Zu einer Feier soll der Gastwirt Robert Schol(t)z seinen Gästen im Gegensatz zur normalerweise servierten groben Knacker die feineren Brühwürste des Fleischers Benjamin Löwenthal angeboten haben, die nur aus Kalbs- und Rindsbrät bestanden hätten. Dazu wurde das Tempelhofer Bock, ein regionales Bockbier, ausgeschenkt. Angeblich sei die (bis dahin unbekannte) Wurstsorte von den Gästen Bockwurst genannt worden. In der Folgezeit setzte sich die Bockwurst im gesamten Land durch.

In der DDR war der Verkaufspreis der Bockwurst auf 80 Pfennig einheitlich festgelegt, an Imbissen oder in Gaststätten lag der Verkaufspreis üblicherweise bei 85 Pfennig, wobei 5 Pfennig für das beiliegende Brötchen berechnet wurden. Es war also günstiger eine Bockwurst unterwegs zu essen als der Kauf von Dosenwurst und die Zubereitung daheim! Leider hat unser Bürger momentan nicht die Möglichkeit, günstig Bockwurst außer Haus zu essen und nimmt daher die Variante aus der Konserve. In der Kaufhalle hatte er glücklicherweise noch eine große Dose Delikat Bockwurst aus dem VEB Fleischverarbeitungsbetrieb Meißen ergattert. Die Dose kostete damals 13 Mark und beinhaltete 10 Würste, also 1,30 Mark pro Bockwurst, ein teurer aber leckerer Spaß!

Konserve Original Meißner Bockwürste

6. Erfrischungsgetränk »Club Cola«

Passend zu seiner Bockwurst nimmt sich unser Heimarbeiter eine kleine Flasche »Club Cola« aus dem Kühlschrank. Das ursprünglich durch amerikanische Besatzungssoldaten bekannt gewordene westliche Getränk erfreute sich auch in der DDR großer Beliebtheit. So wurde 1966 auf Wunsch der Einheitspartei SED und anderer Organisationen entschieden, ein eigenes, den westlichen Vorbildern entsprechendes Produkt zu kreieren. Im VEB Getränkekombinat Berlin begann die Produktion am 19. April 1967. Später wurde die Produktion des beliebten Erfrischungsgetränks auch auf andere Getränkekombinate außerhalb Berlins ausgeweitet.

Die Flasche mit 330ml Inhalt hat unser Bürger beim letzten Einkauf für 42 Pfennige erworben. Abgefüllt wurde die Cola im Betriebsteil Spreequell Erfrischungsgetränke, welcher als Betrieb VI in den VEB Getränkekombinat Berlin eingegliedert war. Die Produktionsstätte befand sich in Berlin-Weißensee.

Flasche Spreequell Club Cola

7. Tageszeitung »Neues Deutschland«

Gut gestärkt von Cola und Bockwurst verlässt unser Bürger kurz die Wohnung, um seinen Briefkasten zu leeren. Er hat wie hunderttausende andere Bürger ein Abo für das Zentralorgan der SED und bringt somit die tagesaktuelle Ausgabe des Neuen Deutschlands zurück in die Wohnung. Das seit 23. April 1946 bestehende Blatt hatte in den 1980er-Jahren eine Auflage von einer Millionen Exemplare, was damals nur von der »Jungen Welt«, dem Zentralorgan der Jugendorganisation FDJ, übertroffen wurde (1,6 Millionen Exemplare täglich). Unser Nutzer setzt sich auf sein Sofa, blättert die Zeitung durch und liest ausgewählte Artikel. Wieder Planübererfüllung und ein hohes Lob auf die Partei, eigentlich wie beinahe jeden Tag, denkt sich der Bürger. Er legt die Zeitung auf den Tisch und geht zurück an seinen Schreibtisch.

Zeitung Neues Deutschland

8. Anspitzer »ASW Modell 120«

Für Notizen nutzt unser Bürger Bleistift und Schreibpapier, langsam muss er aber mal die Bleistiftmine aus einem Graphit-Ton Gemisch wieder anspitzen. Dafür holt er eine Spitzmaschine mit dem kryptischen Namen »ASW Modell 120« aus dem Schrank. Dahinter verbirgt sich ein Anspitzer aus dem Jahr 1975 mit einem schwarz glänzenden Kunststoffgehäuse aus Bakelit und einer massiven Metallkurbel auf der Rückseite. Das Kürzel »ASW« steht für Alfred Schmidt KG Werdau, den Herstellerbetrieb des Anspitzers. Zuvor wurde das baugleiche Modell ab 1950 als »FTE Modell 120« vom VEB Feintechnik Eisfeld hergestellt, wechselte dann aber 1969 den Produktionsstandort nach Werdau. Ab 1977 wurde dieser Betrieb dem VEB Plast- und Metallverarbeitung, Werk Frankenberg zugeordnet. Das »Modell 120« wurde weiterhin bis 1990 produziert und war entsprechend in vielen Haushalten der DDR zu finden. Nachdem er seinen Bleistift angespitzt hat, macht er sich wieder an die Arbeit.

Anspitzer Modell ASW 120 DDR

9. Fernseher »RFT Stassfurt Debüt-VT 132«

Nach mehreren Stunden konzentrierter Arbeit zwischen Schreibmaschine, Telefon, Notizblock und Bleistift beendet unser Bürger seinen Arbeitstag und setzt sich wieder auf sein Sofa. Er schaut auf seine Anbauwand und seinen Fernseher. Eine Fernbedienung, wie wir sie heutzutage üblicherweise kennen, existierte damals nur bei wenigen und sehr teuren Farbfernsehmodellen. Unser Bürger hat nicht so einen »extravaganten« fernbedienbaren Schnickschnack, sondern einen soliden »RFT Stassfurt Debüt-VT 132«. Dieser verfügt über einen schwarz-weiß Bildschirm mit einer Diagonale von 47cm und keine Fernbedienung, sondern sechs mechanische Tasten zur Senderwahl direkt am Gerät. Also muss unser mittlerweile im Feierabend befindlicher Arbeiter wohl oder übel das Sofa verlassen. Doch bevor er den Gang zur Flimmerkiste beginnt, geht er nochmal in die Küche.

Fernsehgerät Debüt VT 132

10. Flasche »Pilsner Urquell«

Im Delikat-Laden konnte unser Bürger noch eine Flasche »Pilsner Urquell« erwerben und steuert voller Vorfreude den Kühlschrank an. Zwar wurde auch an zahlreichen, teilweise traditionsreichen Standorten auf dem Gebiet der DDR Bier gebraut, doch das tschechische Bier hat seit jeher einen besonders guten Ruf. Das bereits 1842 im tschechischen Pilsen gebraute Getränk gilt als das erste Bier nach Pilsner Brauart. Der Zusatz »Urquell« im Namen soll dies ausdrücken. In der DDR war tschechisches Bier oft die Ausnahme und wenn es denn mal erhältlich war, musste man Glück haben und schnell sein. Ein klassisches Beispiel für Bückware!

Wohl bekommt´s, denkt sich unser Bürger, nimmt sein Feierabendbier, geht ins Wohnzimmer und schaltet seinen Fernseher ein.

drei leere Flaschen Pilsner Urquell

Mehr zum Thema