DDR-Design

Vom Entlein zum Schwan: »Moccadolly«

Fachjournalist und Experte des ostdeutschen Produktdesigns Günter Höhne schreibt für den Museumsblog des DDR Museum. Diesmal stellt er die Kaffeebrühmaschine »Moccadolly« vor. (06.02.2019)
mocca dolly alt und neu

Was den Westdeutschen von den 1950er-Jahren an ihr Espresso war, war den Ostdeutschen deren Mokka. »In der Mokka-Milch-Eisbar habe ich sie geseh’n...« jubelte DDR-Popsänger Thomas Natschinski um 1968 in einem AMIGA-Ohrwurm. Hätte ja auch rhythmisch ein wenig geholpert, wenn er gesungen hätte »In der Espresso-Latte-Macchiato-Eisbar«, nicht wahr?

Einen Mokka auch Zuhause gut und schnell zuzubereiten, war ab den 1960er-Jahren in der DDR kein größeres Problem mehr – wenn man denn im Handel an das entsprechende elektrische Kochgerät herankam. Das pfiffigste stellte eine kleine Metallwarenfabrik in Berlin-Biesdorf her, die Otto Bengtson KG in der Lappiner Straße 26. Sie war vor allem auf Aluminiumwaren spezialisiert, und ihr kleines, 1958 entwickeltes Mokka-Wunder nannte sie zunächst »Moccadalli« (20 Jahre später gab es ja auch »MOCCA FIX« als Kaffee aus der Tüte).

Mocca Fix

Na klar, schnell gehen sollte das schließlich mit der schwarzen Aufmunterungsbrühe. Aber irgendjemand in der Firmenleitung fand »Moccadalli« dann wohl doch zu flapsig, und man ließ die Musterschutzeintragung noch im selben Jahr ändern – in »Moccadolly«.

Das dreiteilige Kaffeebrühgerät war so klein und handlich, dass es auch ins Camping-Gepäck passte, ein Wanderkocher sozusagen. Seine Henkel aus isoliertem Eisendraht waren nicht besonders attraktiv, aber praktisch, weil einklappbar für den Transport. Schön sinnbildlich das Logo auf der Gefäßwand, eine stilisierte dampfende Mokkatasse.

Moccadolly mit Broschüre

Irgendwann entdeckten auch zwei Industrieformgestalter am Berliner Design-»Institut für angewandte Kunst« den praktischen Haushaltshelfer für sich, fanden aber, das Ding könne doch schicker und moderner aussehen. Gedacht, getan, und tatsächlich hatte der Hersteller ein Einsehen. So modelten Klaus Musinowski und Lutz Rudolph das in seiner Arbeitsweise gleichbleibende Kaffeebrühgerät äußerlich gehörig um, und aus dem anständigen Gebrauchsgegenstand für unterwegs wurde ein zeitlos schön anzusehendes und in seiner Handhabung perfektioniertes Produkt für Zuhause, das nicht nur »gestylt«, sondern nun wirklich ausgefeilt war. Heute eine Ikone funktionalen DDR-Designs.

Was nicht überrascht, denn beide Gestalter waren unter ihresgleichen Funktionalisten par excellence: Musinowski als einer der vielseitigsten und produktivsten ostdeutschen Industriedesigner der 1960er- und 1970er-Jahre schuf viele praktische, schnörkellose und langlebige Haushaltgeräte, wie zum Beispiel die heute immer noch verbreitet benutzten elektrischen Schlagwerk-Handmühlen (SWM) von AKA ELECTRIC.

Kaffeemühle SWM II

Lutz Rudolph wiederum galt als einer der ideenreichsten Minimalisten seiner Zunft. Gemeinsam mit dem Chemnitzer Kollegen Karl Clauss Dietel entwarf er z. B. die legendären HELI-Radiogerätefamilien der 60er- bis 80er-Jahre, Suhler Simson-Kleinkrafträder oder auch alternative, zukunftsweisende Pkw-Entwürfe für den Zwickauer Trabant, die nur leider nicht in Serie gingen.

Über Günter Höhne:

Günter Höhne ist Autor verschiedener DDR Design Bücher wie »Arbeit, Freizeit, Ferien«, »Wohnungen für alle: Vom Leben im Plattenbau« und »Das große Lexikon: DDR-Design«. Seine Bücher erschienen im Komet-Verlag und sind vereinzelt auch vor Ort in unserem Museumsshop erhältlich.

 

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