Was bleibt von der DDR?

Wandlitz

Die einst geheimnisumwitterte Waldsiedlung der obersten SED-Funktionäre in Wandlitz ist heute eine idyllische Rehabilitationsklinik.
von Dr. Stefan Wolle (18.10.2017)

Macht Wandlitz zum Altersheim!

Den größten Lacherfolg während der Demonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz hatte die Schauspielerin Steffi Spira. Sie beendete ihre Rede mit der Forderung: „Aus Wandlitz machen wir ein Altersheim. Die über 60-Jährigen und über 65-Jährigen können jetzt schon dort wohnen bleiben, wenn sie das tun, was ich jetzt tue – abtreten!“ Hunderttausende Demonstranten brachen in stürmischen Beifall und Jubelrufe aus. Der Name des kleinen Ortes nördlich von Berlin war zum Synonym für die überalterte und abgewirtschaftete SED-Führung geworden.

Machtgeschützte Idylle

Dabei war die Existenz des „Objektes Waldsiedlung“, so der interne Name für die Funktionärssiedlung, streng geheim. Auf den Landkarten der DDR war die Fläche grün eingefärbt, als wäre dort ein reines Waldgebiet. Auch die Straßennamen und Adressen fanden sich in keinem öffentlichen Verzeichnis. Für den Bau und die Ausstattung der Gebäude war das Sekretariat des Politbüros zuständig. Die Sicherung des Wohnkomplexes oblag dem Ministerium für Staatssicherheit. Die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros der SED – ein Kreis von etwa fünfundzwanzig Personen, waren verpflichtet, mitsamt ihren Familien nach Wandlitz zu ziehen. Die Wohngebäude der Funktionäre entstanden in der Zeit von 1956 bis 1960. Sie waren in dem schlichten und sachlichen Stil der fünfziger Jahre gehalten und ähnelten äußerlich den Stadtvillen, in denen in westlichen Ländern die Vertreter des gehobenen Bürgertums, etwa Zahnärzte oder erfolgreiche Rechtsanwälte, wohnten.

Gediegene Wohnatmosphäre

Die Innenausstattung war dem Geschmack der DDR-Obrigkeit entsprechend konventionell gehalten.  Sie liebten – soweit sich dies aus den wenigen Fotos ersehen lässt - stoffbezogene schwere Sitzmöbel, Schrankwände mit Holzfurnier, Orientalische Teppiche und Kronleuchter. In den achtziger Jahren kamen die Einrichtungsgegenstände und die Heimelektronik zunehmend aus dem Westen. Insgesamt entstand eine kleine Welt, zwar ohne ausufernden Luxus, doch abgeschirmt von der Lebenswirklichkeit der DDR. Das Ladenkombinat führte zu moderaten Preisen ein umfangreiches Sortiment an Importprodukten aus dem westlichen Ausland. Die Devisenausgaben für die Versorgung der Politbüromitglieder und ihrer Familien verdoppelte sich von 1980 bis 1989 von 4,4 Millionen auf 8,6 Millionen Westmark.

Schluss mit den Privilegien!

Gegen diese Art der Bevorzugung richtete sich im November 1989 die Wut der Bevölkerung. Die Fernsehbilder von den Auslagen in der Obst- und Gemüseabteilung des Ladens zeigte Bananen und Ananas. Im Badezimmer waren chromblitzende Mischbatterien zu sehen. Das mag kleinkariert erscheinen und war nicht ohne voyeuristischen Beigeschmack. Dennoch war es berechtigt, die SED-Funktionäre an ihrem Anspruch zu messen, Vertreter der Arbeiter- und Bauernmacht zu sein. Die Arbeiter und Bauern konnten froh sein, einen Brauseschlauch aus Plaste zu bekommen und Südfrüchte gab es für sie nur selten. Immerhin hat sich der Wunsch von Steffi Spiri vom 4. November 1989 erfüllt. Die Bewohner der Waldsiedlung gingen in Rente und ihre Häuser sowie die anderen Einrichtungen gehören inzwischen zu einer Rehabilitationsklinik.

Autor: Dr. Stefan wolle 

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