Veranstaltung

Geschichte und aktuelle Debatten zur Solidarność

Dr. Dominik Pick vom Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin diskutierte im DDR Museum über die heutige polnische Sicht auf die Solidarnść-Bewegung von Vanessa Jasmin Lemke (30.01.2018)

Warum kam es im August 1980 zur Gründung der Gewerkschaft Solidarność? Warum verkündete die Regierung am 13. Dezember 1981 den Kriegszustand und verbot die freie Gewerkschaft? Wie geht die aktuelle polnische Politik mit der Geschichte der Bewegung um?

Dr. Dominik Pick fand auf diese und viele weitere Fragen in seinem Vortrag im DDR Museum Antworten. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Zentrums für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin und Experte zur Geschichte der Solidarność arbeitete nach seinem Studium und der Promotion u.a. beim „Europäischem Netzwerk Erinnerung und Solidarität in Polen“ sowie beim Europäischen Solidarność-Zentrum in Danzig. 

Eine Geschichte zwischen Teilungen und Aufständen

Für seine Ausführungen ging Pick zurück bis in das 18. Jahrhundert. Polen war zum Spielball der europäischen Mächte geworden. Auch Aufstände konnten die Fremdherrschaft nicht beseitigen und so existierte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs kein polnischer Staat. Vom Trauma der Machtlosigkeit konnte sich das Land bis heute nicht erholen und pflegt in der Geschichtsschreibung eine Tradition des Widerstands und der Aufopferung für die Nation. So führten auch die drastischen Preissteigerungen für Lebensmittel im Dezember 1970 zu Unruhen in Danzig, die blutig niedergeschlagen wurden. 

Der Weg zur Solidarność

Die 1980 gegründete Arbeiterbewegung um Lech Wałęsa sah sich klar in der Tradition des Aufstandes von 1970. Der friedliche und landesweite Protest gegen die erneuten Preiserhöhungen im Sommer 1980 führte schließlich zum Danziger Abkommen, in dem u.a. das Streikrecht festgeschrieben wurde. Zum ersten Mal lehnten sich Arbeiter, Intellektuelle und Kirche gemeinsam gegen die polnische Partei- und Staatsführung auf und bildeten eine Opposition, die Jahre später zur politischen Wende in Polen führen sollte. Nachdem die polnische Regierung unter sowjetischem Druck das Kriegsrecht verhängt hatte, gab es innerhalb der Solidarność unterschiedliche Strategien. Ein Flügel, die so genannte Solidarność Walcząca (kämpfende Solidarność), schloss Gewalt als politisches Mittel nicht gänzlich aus.

Dieser Teil der Geschichte sei in der polnischen Geschichtsschreibung untergegangen, so Dominik Pick. Seit dem Regierungsantritt der PiS-Partei um Jarosław Kaczyński, der anfangs ein enger Wegbegleiter Wałęsas und Solidarność-Mitglied war, werde aber auch der Erfolg der Arbeiterbewegung verurteilt und das Engagement der Kaczyńskis im Vorfeld des Runden Tischs werde verschwiegen, führte Pick weiter aus. In diesem Zusammenhang wird auch der Verratsvorwurf gegen Wałęsa instrumentalisiert. Wałęsa war, wie Akten belegen, Mitte der siebziger Jahre als Informant des Geheimdienstes tätig. 

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum ging Pick auf die Ereignisse während des Kriegszustands sowie die drohende Gefahr eines Einmarsches der sowjetischen Truppen ein. Die Erinnerungen des wissenschaftlichen Leiters des DDR Museum, Dr. Stefan Wolle, erweiterten die Erläuterungen und stellten sie in den Kontext der Beziehungen zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen. 

Mehr zum Thema