“Jeans sind eine Einstellung und keine Hose”, ließ Edgar Wibeau, der Protagonist in Ulrich Plenzdorfs Drama “Die neuen Leiden des jungen W” verlauten. Das traf in der DDR durchaus zu: Die Jeans war mehr als nur ein Kleidungsstück, sie war ein Statement.
In den 1950er Jahren war die Jeans verpönt, schon allein die Verwendung des Wortes war untersagt. Umständlich wurde sie als “blaue doppelgenähte Knappnahthose” umschrieben oder einfacher als Nietenhose oder Amit-Hose betitelt. Auch das Tragen war untersagt, denn die Jeans lag enger als gewöhnliche Hosen am Körper an und wurde auch von Frauen ausgeführt, ohne dabei auf die Geschlechtertrennung zu achten. Deswegen galt sie als obszön und laut Regierung war die Jeans Exportprodukt des Imperialismus und somit systemgefährdend.
Auch gesellschaftlich war die Hose nicht akzeptiert: Jeansträger mussten sich kritische Blicke und Kommentare gefallen lassen und besuchten Jugendliche die Schule in solchen Hosen, kam es nicht selten vor, dass sie nachhause geschickt wurden um sich umzuziehen. Allein an eine Jeans zu kommen, stellte eine Herausforderung dar. Offiziell in der DDR erwerben konnte man die Jeans in den 50er Jahren nicht. Glückliche bekamen die begehrte Ware von Westverwandtschaft zugesandt. Alternativ unternahm man einen Trip nach Westberlin um sich dort das gute Stück zu kaufen. Bei Grenzübergang war es ratsam die Neuerrungenschaft gleich am Körper zu tragen um so eine Beschlagnahmung dieser zu verhindern. So manchen Jugendlicher schaffte sich durch Kreativität Abhilfe und ließ blaue oder schwarze Hosen einlaufen um ihnen die jeanstypische Enge zu verleihen und verzierte diese dann mit Nieten.
In den 1960er Jahren hatte man sich so langsam an den Anblick jeanstragender Männer und auch Frauen gewöhnt. Vollkommen akzeptiert war die Hose jedoch noch lange nicht. Dennoch, um der aufbegehrenden Jugend entgegenzukommen, gab es 1968 es zum ersten Mal etwas Vergleichbares auch offiziell in der DDR zu erwerben: Mit der Jugenmode-Kollektion fand die blaue Cottino-Hose Einzug in die Läden. Diese war im Design stark am westlichen Vorbild orientiert, wenn sie auch qualitativ um Welten vom Muster entfernt lag. Die Freude bei der DDR-Jugend war groß - zumindest solange bis die Hose nach kurzer Zeit ausverkauft war und die Nachproduktion stockte. Westfahrten zum Einkaufsbummel waren aufgrund der Mauer nicht mehr möglich und so vermissten in den 1960er Jahren immer noch viele Jugendliche den blauen Liebling sehnlichst. Jeans aus Ungarn oder der CSSR sowie nach Schnittmuster Selbstgeschneidertes schafften mehr oder minder Abhilfe.
Doch der Ruf nach der echten Levis - in den 70ern das meistverkaufte Kleidungsstück weltweit - war in der DDR weiterhin besonders laut und bis zur Mitte des Jahrzehnts ungehört. Dann, endlich, zumindest zu knappen Kontingenten und stattlichen Preisen, gab es offiziell echte Westjeans im Exquisit-Handel zu kaufen.
Ab 1974 konnte sich die DDR dann mit eigener Jeansproduktion in Rostock und Templin brüsten. Hergestellt wurden die begehrten Hosen mit aus dem Westen importierten Maschinen. Diese erlaubten eine verbesserte und schnellere Produktion und machten die lausige Qualität der Cottino und Produktionsengpässe zur Geschichte. Boxer, Wisent oder Shanty imitierten die Levis recht erfolgreich und erfreuten sich deswegen großer Beliebtheit.
Durch die eigene Produktion und den gesellschaftlichen Wandel wurde die Jeans in den 70er Jahren komplett salonfähig. Immer mehr ältere DDR-Bürgerinnen und -Bürger nahmen die Hose als Alltagsmode wahr. In Filmen der DEFA trugen nun nicht nur die Bösewichte sondern auch die Helden solche Hosen und das immer noch in Schulen vorherrschende Jeansverbot wurde öffentlich diskutiert.
Die Hose verlor aber auch ihre Symbolik und Aussagekraft durch die vollkommene gesellschaftliche Akzeptanz. Anders als in den Jahrzehnten zuvor verband man die Jeans nicht mehr zwingend mit Rebellion und Protest. Doch während in der DDR produzierte Jeans Alltag wurden, blieb die echte Levis weiterhin noch immer etwas ganz Besonderes!