Was bleibt von der DDR?

Der Palast der Republik

Ab heute gibt es eine neue monatliche Blogkategorie! Hier soll es darum gehen, was heute noch von der DDR „übrig geblieben“ ist. Dies können bauliche und gegenständliche Relikte sein, genauso wie kulturelle und soziale Faktoren, die das Heute noch beeinflussen und prägen.
(21.10.2015)

Ab heute gibt es eine neue monatliche Blogkategorie! Hier soll es darum gehen, was heute noch von der DDR „übrig geblieben“ ist. Dies können bauliche und gegenständliche Relikte sein, genauso wie kulturelle und soziale Faktoren, die das Heute noch beeinflussen und prägen.

Zur Einstimmung habe ich mich eines besonders umfassenden und streitbaren Themas angenommen: des Palastes der Republik.

 

Den Blick verbaut. Den Blick verbaut?

Vom Schloss zum Palast. Die Geschichte des Palastes der Republik

Der Wiederaufbau des alten Stadtschlosses oder der damit einhergehende Abriss des Palastes der Republik spaltet die Berliner sowie Ost- und Westdeutsche. Oder viel pragmatischer: in Berlins alter Mitte wird seit 2012 der (Rück-)Blick verbaut.

Das Berliner Schloss, im 15. Jahrhundert erbaut und einst Residenz der Hohenzollern, der preußischen Könige und ab 1871 der deutschen Kaiser, wurde im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen stark beschädigt. Jedoch muss gesagt werden, dass eine Restaurierung genauso wie beim Charlottenburger Barockschloss durchaus möglich gewesen wäre. Walter Ulbricht jedoch nutzte diesen Vorwand, um das Schloss 1950 zu sprengen, abzutragen und einen zentralen Aufmarschplatz in der historischen Mitte Berlins zu gestalten.

Dieser Marx-Engels-Platz sollte erst 23 Jahre später wieder bebaut werden. Solange diente er tatsächlich politischen Paraden. Mit der internationalen Anerkennung der DDR beschloss das Politbüro hier ein sozialistisches Aushängeschild zu errichten, sodass im April 1973 vom Ministerrat der Bau des Palastes der Republik beschlossen wurde. Nach 32 Monaten konnte der von den Architekten Heinz Graffunder und Karl-Ernst Swora geplante Stahl- und Beton-Koloss im April 1976 feierlich eingeweiht werden. (Endgültig: Palast der Republik wird abgerissen, in: FAZ, 19.01.2006.)

Jahrelang versammelte sich hier die Volkskammer, das (Schein-)Parlament der DDR, bezeichnenderweise im kleinen Saal des Palastes, während im großen Saal neben kulturellen Veranstaltungen Parteitage der SED inszeniert wurden. Doch das ist nicht alles. Der Palast der Republik war auch ein „Haus des Volkes“, unter 10.000 Kugelleuchten gab es hier in „Erichs Lampenladen“ Restaurants, Bars, ein Theater, eine Bowlingbahn und eine Diskothek. In einer Galerie zeigten sozialistische Kunstschaffende, dass „Kommunisten träumen dürfen“. (http://www.berlin.de/tourismus/insidertipps/1727324-2339440-palast-der-republik-untergegangen-in-rui.html; Thomas Schmid: Um den Palast der Republik muss man nicht trauern, in: Die Welt, 27.11.2008.) Mit weißem Marmor wurde die Halle vertäfelt, die den Plenarsaal der Volkskammer mit dem Kongress- und Freizeitzentrum verband. Das Gesicht des Palastes prägte die 8.200 Quadratmeter große Fläche aus bronzefarbenem Glas. So war der Palast für viele Bürger schon zu DDR-Zeiten ein streitbares Bauwerk. Von vielen als „Ballast der Republik“ oder „Palazzo Protzo“ bezeichnet, kritisierte man, dass dieses teuerste Gebäude der DDR Gelder verschlang, die anderswo benötigt worden wären. (Moritz Holfelder: Abriss: Palast der Republik. Schwierig zu lieben, in: SZaW, 14./15.02.2009.)

Vom Palast zum Schloss. Die Debatte um den Abriss.

Auch nach dem Mauerfall sorgte der Palast, der im herkömmlichen Sinne weder Palast war, noch für eine Republik stand, für bis heute geführte Diskussionen. (Die Welt, 27.11.2008.) So wird angeführt, dass er in den 14 genutzten Jahren von seinen Bürgern durchaus zu einem sehr widersprüchlichen Ort gemacht wurde, an dem Punkbands illegale Konzerte gaben oder lange verbotene Theaterstücke aufgeführt wurden. Am 40. Jahrestag der Republik war er von Demonstranten umstellt und letztlich „wuchs hier zusammen, was zusammen gehört“, indem 1990 hier die Wiedervereinigung beschlossen wurde. (SZaW, 14./15.02.2009.) Kritiker sagen, dass der Palast eine Anmaßung der DDR-Regierung war, ein „Tempel des Gewöhnlichen“, mit dessen Abriss ein Fehler korrigiert würde, nicht nur bautechnisch, sondern auch in seiner Funktion. So sei hier lediglich die Nähe von Volk und Macht inszeniert worden, während der Bau jedoch einen Staat repräsentierte, in dem der Einzelne nichts zu sagen hatte. (Die Welt, 27.11.2008.)

Der Bundestag beschloss im Juli 2002 den Abriss des Gebäudes und den Wiederaufbau des alten Stadtschlosses, zumindest die Rekonstruktion der barocken Außenfassaden, damit hier die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die wissenschaftliche Sammlung der Humboldt-Universität präsentiert werden können. (FAZ, 19.01.2006.) Ein Antrag der Linken und der Grünen den Abriss wenigstens auszusetzen, bis alle Voraussetzungen für den Neubau vorlägen, wurde im Januar 2006 abgelehnt, im Februar begann bereits der Abriss. (http://berliner-schloss.de/palast-der-republik/der-abriss-des-palastes-der-republik) Selbst Mitglieder der Internationalen Historischen Expertenkommission konnten die Abgeordneten nicht umstimmen, obwohl sie darauf hinwiesen, dass sich die Sachlage in den letzten Jahren drastisch geändert habe und insbesondere die Machbarkeitsstudie von 2005 ergab, dass sich die Kosten für den Schlossbau auf das Fünffache im Vergleich zu 2002, nämlich 1,2 Milliarden, erhöhen werden, während das Schlossareal von 100.000 auf 50.200 Quadratmeter Nutzfläche eingeschmolzen wurde. Auch die Berliner Bürger votierten mit 59% gegen den Abriss des Palastes bis zum Baubeginn des Stadtschlosses, solange kein tragfähiges Nutzungskonzept für die Zwischennutzung vorläge. (http://www.palastbuendnis.de/downloads/12%20Gruende.pdf; FAZ, 19.01.2006.)

Norbert Lammert und auch die Berliner Bevölkerung erklärten zur Kostenfrage außerdem, dass es dringendere „Baustellen“ im deutschen Staat gebe, als die Wiederherstellung eines nostalgischen Schlossneubaus, der noch nachfolgenden Generationen eine finanzielle Last aufbürden werde. Das zeigen Umfragen von 1994 bis 2010. So stimmten 1994 70 % der Berliner dafür den Palast zu erhalten, während sich 22 % für die Rekonstruktion des Stadtschlosses aussprachen. (Der Palast hat seine feste Mehrheit, in: BZ, 18.04.1994.) 2004 erklärten immer noch 56 %, dass es besser wäre, den Palast zu sanieren und sinnvoll zu nutzen. (Christine Richter: Eine klare Mehrheit für die Länderfusion, in: BZ, 04.03.2004) 2005 gaben bereits 47 % ihre Zustimmung zum Neubau, interessant dabei: nur ein Drittel der Ost-Berliner (34 %) befürwortete den Wiederaufbau, aber 55 % der West-Berliner. (Stefan Schulz: Stadtschloss. Jeder zweite Berliner für Wiederaufbau!, in: Berliner Morgenpost, 31.01.2005) 2007 waren insgesamt noch 39 % gegen den Palastabriss, 60 % fanden es gut, dass das Barockschloss wiedererstehen soll. 40 % der Ostberliner bekannten sich jedoch weiterhin zu Gegnern des Palastabrisses (Berliner wollen Schlosswiederaufbau, in:  Berliner Morgenpost, 05.05.2007) 2010 gab die Berliner Zeitung dann bekannt, dass 80 % der Berliner den Wiederaufbau des Schlosses ablehnten. Jedoch hauptsächlich deshalb, da sie der Meinung waren, dass der Staat hier mit dem Sparen beginnen sollte. Prinzipiell gegen den Schlossbau waren 2010 nur noch 25 %. (http://berliner-schloss.de/die-schlossdebatte/meinungsumfragen-zum-schloss/)

Häufig wird als Hauptgrund für den Abriss des Palastes angeführt, dass er „eines der am stärksten asbestverseuchten Gebäude in Europa“ war (http://berliner-schloss.de/palast-der-republik/der-abriss-des-palastes-der-republik). Jedoch sollte eingeräumt werden, dass das Gebäude bereits ab 1998 von Asbest befreit wurde (Kostenpunkt 87 Millionen Euro) und im Rohbauzustand mit erhaltener Fassade von 2004 bis 2005 als Schauort von über 900 Kunstevents mit circa 650.000 Besuchern zwischengenutzt wurde. (http://www.berlin.de/tourismus/insidertipps/1727324-2339440-palast-der-republik-untergegangen-in-rui.html)

Schlagworte wie Siegerjustiz fallen in diesem Kontext deshalb häufiger bei einigen ehemaligen DDR-Bürgern. Den „Besserwessis“ wird vorgeworfen als neue Herrscher nach dem Umbruch die Architektur der Verlierer als Ritual zu zerstören, um sie damit abzustrafen und Altes zu tilgen, während sich dieses Symbol der DDR durchaus umwidmen ließe, „Ort historischer Selbstvergewisserung“ werden könnte. (Die Welt, 27.11.2008.) Sogar die Weltöffentlichkeit, so beispielweise die New York Times, gab zu bedenken, dass gerade ein solcher Ort geeignet sei, zu zeigen, dass eine Gesellschaft in die Zukunft blicken kann ohne die unangenehmen Teile ihrer Vergangenheit auszulöschen. (SZaW, 14./15.02.2009) Das Palastbündnis sah sogar die Chance durch das „Projekt Palast“ die Nominierung Berlins für das CREATIVE CITIES-Programm der UNESCO zu rechtfertigen. (http://www.palastbuendnis.de/downloads/12%20Gruende.pdf)

Für Kompromisslösungen ist es nun zu spät, dennoch würde ich BZ-Lokalredakteur Ulrich Paul Recht geben: für das Zusammenwachsen der Stadt und die Förderung der Einheit war diese „brachiale Abbruch-Lösung“ kontraproduktiv. Ein behutsamer Umgang mit diesem Teilstück jüngster Vergangenheit, wie etwa die Sanierung und Weiternutzung auf Zeit, hätte die Gemüter besänftigt und die Möglichkeit eröffnet Vergangenheit und Zukunft in einem Gebäude zu verbinden, (Ulrich Beck: Demontage zur falschen Zeit, in: BZ , 10.02.2006.) vielleicht sogar in Form eines „Palastschlosses“.

Für mich wurde durch den Abriss gerade für die jüngere Generation im metaphorischen Sinn „der Blick verbaut“, denn bis in ein paar Jahren wird sich womöglich niemand mehr an den Palast der Republik erinnern. Es ist hier nicht einfach ein Bauwerk verschwunden, das bei vielen hinsichtlich der ästhetischen Ansprüche keinen Anklang gefunden hat, sondern ein Teil deutscher Geschichte, ein Symbol für die DDR, die das Leben von mehreren Millionen Deutschen geprägt hat, die sich noch heute manchmal in der Bundesrepublik nicht wiederfinden. Gleichzeitig verschwand hier aber auch ein Mahnmal einer Diktatur, die nicht verdrängt werden sollte.

Meines Erachtens besteht tatsächlich eine gewisse Gefahr, dass die zweite deutsche Diktatur nach und nach in Vergessenheit gerät, denn im Bildungsplan unserer Kultusministerien nimmt sie bis heute nicht den notwendigen Raum ein.

 

Bild: By Lutz Schramm from Potsdam, Germany. See http://www.lutzschramm.de/ (Palast der Republik) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

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