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30 Jahre Bluesmessen - Wir feiern das Jubiläum

Das DDR Museum feiert am 18. Juli ein besonderes Jubiläum: Vor 30 Jahren wurde am 1. Juni 1979 um 20:00 Uhr in der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain die erste von vielen Blues-Messen gefeiert.
von Melanie Alperstaedt (09.07.2009)

Das DDR Museum feiert am 18. Juli ein besonderes Jubiläum: Vor 30 Jahren wurde am 1. Juni 1979 um 20:00 Uhr in der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain die erste von vielen Blues-Messen gefeiert.

Bei unserer Veranstaltung in der Parochialkirche werden der Mitbegründer der Blues-Messen, Günter "Holly" Holwas mit seiner Band und Prinz Pi, erfolgreicher sozialkritischer Rapper aus Berlin, dabei sein. Es handelt sich um keine reine Gedenkveranstaltung, sondern es soll der Bogen zu aktuellen Problemen der Gegenwart geschlagen werden. Die Veranstaltung ist kostenlos und alle Teilnehmer sind eingeladen, von 20-23 Uhr gemeinsam zu feiern und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Blues-Messen setzen sich aus Gebeten, Aktionstheater, Verkündigunen, Meditationen, Sketchen, Fürbitten und Predigten zusammen, welche Lieder-, Rock- und Blueseinlagen bekannter oppositioneller Gruppen und Interpreten in den Ablauf integrierten. Für die Jugendarbeit der evangelischen Kirche in der DDR waren die Blues-Messen eine Möglichkeit, junge Menschen zu erreichen, die mit traditionellen Veranstaltungen der Kirchen eher wenig anfangen konnten. Besonders Angehörige jugendlicher Subkulturen wurden von dieser Art der Veranstaltung angezogen, denen die traditionelle Form der Gottesdienste fremd waren. Sie artikulierten sich daher auch während der Messen ungezwungen durch Beifall, Schreie, Pfiffe und lautem Lachen.

All dies brachte die evangelischen Geistlichen in eine schwierige Situation. Sie wollten Freiräume schaffen und im missionarischen Sinne nicht religiös Gebundene für die Kirche gewinnen. Allerdings mussten sie sich dabei mit den Interventionen des SED-Staates auseinandersetzen und einige traditionelle Geistliche hatten grundsätzliche Bedenken. Sie befürchteten, dass Gottesdienste politisch und subkulturell verfremdet werden könnten. Es drängte sich die Frage auf: Handelt es sich noch um Gottesdienste oder organisiert die Gemeinde politische Veranstaltungen?

Doch wie entstand die erste Bluesmesse? Der 29jährige Musiker Günter Holwas besuchte 1979 den Jugendpfarrer Rainer Eppelmann und bat darum, mit seiner Band in der Samariterkirche spielen zu dürfen. Er wollte Konzerte in der Kirche geben und hatte vor, die Kollekten für einen guten Zweck spenden. Für Konzerte war jedoch die Konzert- und Gastspieldirektion der DDR zuständig und eine reine Musikveranstaltung wäre anmeldungspflichtig gewesen. Beide einigten sich daher darauf,  mit der Musik von Holwas und seiner Band Gottesdienste zu gestalten. Auf einen theologischen Rahmen wollte die Kirche bei diesem "Experiment" nicht verzichten: Analog zu den Aussagen von Holwas´ Songtexten wurde nach passenden Textstellen in der Bibel gesucht. Somit waren die Bluesmessen seit ihrem Beginn mehr, als nur eine theologisch getarnte Konzertveranstaltung.

Nach dieser ersten Bluesmesse besuchten ab 1980 Tausende Jugendliche aus allen Teilen der DDR die Bluesmessen in der Samariterkirche, der Auferstehungskirche und der Lichtenberger Erlöserkirche. Jede Messe hatte ein auf die Probleme der Jugendlichen bezogenes Thema und bot eine Plattform für kritisches Denken, Information und Kommunikation.

Dies alarmierte und beunruhigte die SED-Führung und das Ministerium für Staatssicherheit. Spitzel wurden eingesetzt, welche den Vorbereitungskreis und die Kontaktgruppe unterwanderten und in jeder Messe anwesend waren, um kritische Äußerungen der Anwesenden an ihre Auftraggeber weiterzugeben. Ziel war es, unter den Vorbereitern der Bluesmessen Zwietracht zu schüren, die Organisation der Messen zu erschweren, durch z.B. Verschütten von Buttersäure den Aufenthalt in den Kirchen unmöglich zu machen, während der Veranstaltung für Unruhe zu sorgen und Informationen zu sammeln, welche für eine Argumentation gegen Bluesmessen gegenüber kirchenleitenden Kreisen in Berlin-Brandenburg genutzt werden könnten.

Laut dem Bluesmessen-Experten Dirk Moldt waren die Bluesmessen in den Jahren vor der friedlichen Revolution eine der wenigen und evtl. wichtigsten Orte zur Einübung des freien Wortes und des friedvollen Diskutierens über damalige Missstände. Kritisch denkende Menschen lernten sich kennen, sahen, dass sie nicht allein waren und vernetzten sich. Dies alles schuf laut Moldt wesentliche Voraussetzungen für die friedliche Revolution und die Überwindung der SED-Diktatur.

Wer sich für dieses Thema interessiert, dem kann ich das Buch "Zwischen Haß und Hoffnung. Die Blues-Messen 1979 - 1986" von Dirk Moldt ans Herz legen. Spannend geschrieben informiert er über das Phänomen der Blues-Messen und auf einer beigelegten CD-Rom findet man die damals vorgetragenen Texte, 15 Zeitzeugeninterviews, 300 Fotos und die einzige erhaltene Tonaufnahme einer Blues-Messe!

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