Aus der Sammlung

Das Brigadebuch im Arbeitsalltag der DDR

In den Brigaden der DDR wurde nicht nur gemeinsam gearbeitet sondern auch gefeiert und sogar verreist. All diese verbindenden Aktivitäten wurden in einem Brigadebuch dokumentiert – oft mit viel Liebe zum Detail. Wir zeigen ein paar spannende Exemplare aus unserer Sammlung. (04.06.2015)

Tagebuchschreiben mit den Kolleg*innen

Das Führen eines Tagebuchs ist eine beliebte Form, besondere Erlebnisse, Gedanken oder Gefühle des persönlichen Lebens in Textform festzuhalten. In der DDR führten sogar Betriebe ihr eigenes Tagebuch; genauer gesagt führten die einzelnen Brigaden eines staatlichen Betriebs ein Brigadebuch. Eine Brigade war das kleinste Team oder die kleinste Arbeitsgruppe innerhalb staatlicher Betriebe.  Deren Leitung wurde auch als Brigadiere bezeichnete. Brigaden spielten im DDR-Alltag eine wichtige Rolle denn für viele Menschen waren sie eine zweite Heimat und wurden mit Zusammenschluss, Zugehörigkeit und Geborgenheit verbunden. Es wurde gemeinsam gearbeitet, gefeiert und sogar verreist. All das wurde in den Brigadetagebüchern festgehalten.

Entstanden nach der »Bitterfelder Konferenz« 1959, die unter dem Motto »Greif zur Feder, Kumpel! Die sozialistische Nationalkultur braucht dich!« stand, sollte das »werktätige Volk« zu eigenen künstlerischen und kulturellen Produktionen angehalten werden. Brigadebücher verfolgten das offizielle Ziel, die Entwicklung und den Alltag eines Arbeitskollektivs möglichst umfangreich und detailliert darzustellen.

Die Funktionen des Brigadebuches

Das Brigadebuch erfüllte ganz verschiedene Funktionen. Einerseits dokumentierte es sämtliche relevante, den Betrieb betreffende, Ereignisse wie Weiterbildungen der Mitarbeiter*innen, Betriebsausflüge und Zielvereinbarungen zur jährlichen Planerfüllung. Einen weiteren wichtigen inhaltlichen Teil stellten Einträge zu politischen Ereignissen oder Feiertagen dar. So findet sich in ausnahmslos jedem Brigadebuch ein Eintrag zum 1.Mai-Feiertag, dem Frauentag oder sogar, je nach Intensität des Verbundenheitsgefühls zur Partei, dem Geburtstag Erich Honeckers. Andererseits wurden im Brigadebuch aber auch private Inhalte festgehalten. So finden sich in vielen Büchern in unserer Sammlung Einträge zu Geburtstagen, Hochzeiten, Umzügen und Urlaubsplanungen der einzelnen Mitarbeiter*innen des Kollektivs. Die Einträge in das Brigadebuch konnten von allen Mitgliedern der jeweiligen Brigade verfasst werden. Der Kreativität waren dabei fast keine Grenzen gesetzt. Gedichte, Zeichnungen, Aufkleber und Verzierungen waren deshalb keine Seltenheit. Auffällig ist, dass die Qualität der Texte sowie deren Gestaltung  je nach Betriebsart und Bildungsstand der Arbeiter*innen sehr unterschiedlich ausfallen. Trotz kreativer Möglichkeiten gab es beim Führen des Brigadebuchs feste Vorgaben, deren Einhaltung durch die Betriebs- und Betriebsgewerkschaftsleitung überprüft wurde.

Brigadetagebücher in der Sammlung des DDR Museum

Eines der Brigadebücher unserer Sammlung stammt vom Kollektiv »Analyse« aus dem Jahr 1970. Dieses Kollektiv war am Institut für Fettchemie der DAW zu Berlin ansässig, welches wiederum zur Akademie der Wissenschaften der DDR gehörte.  Die Brigade bestand aus 20 Mitarbeitern, wovon einige über einen Doktortitel verfügten. Anders als die sonst üblichen roten Einbände hat das Buch einen blauen Umschlag aus Kunststoff. Auf der Vorderseite finden sich die goldenen Lettern »Brigadebuch« sowie eine handschriftliche Notiz »Bd.1«. Der erste Eintrag thematisiert eine Faschingsparty, welche vom Kollektiv veranstaltet wurde. Der beschreibende Text ist in Versform verfasst und mit vielen Fotos der Veranstaltung bebildert. Zu sehen sind die Mitarbeiter*innen in Kostümen, das Tanzbein schwingend und mit gefüllten Gläsern anstoßend. Im Monat Mai findet sich der obligatorische Eintrag zur Begehung des Internationalen Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus am 1.Mai. Auf den eingeklebten Fotos sind die Mitarbeiter*innen während des Straßenumzugs zu sehen, zusätzlich wurden die Seiten mit einigen Zeichnungen illustriert. Ein sehr wichtiger Eintrag ist der recht schmucklos gestaltete Bericht über die Planerfüllung des Kollektivs im zweiten Quartal des Aufzeichnungszeitraumes. Hier werden die geleisteten Arbeitstage und -ergebnisse aufgelistet und erwähnt, dass Aufgaben zu Zielvereinbarungen sogar früher als geplant erfüllt wurden. Ebenfalls im Brigadebuch verzeichnet sind Solidaritätsspenden der Mitarbeiter*innen beispielsweise an das sich im Krieg befindende Vietnam (116,-M) sowie für Naturkatastrophenopfer in Pakistan (150,-M).

Das Ende der Brigadebücher in den Betrieben

Mit der Auflösung und Zusammenschließung ehemaliger DDR-Betriebe endete auch die Praxis des Brigadetagebuchschreibens. Betriebsausflüge, Geburtstagsfeiern und Beförderungen wurden fortan, wenn überhaupt, je nach Betrieb unterschiedlich festgehalten.                                                       

 

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