DDR-Geschichte

Der 1. Mai als »Kampf- und Feiertag« in der DDR

Der 1. Mai wurde in der DDR zwischen 1949 und 1989 als »Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus« jährlich mit großem Aufwand begangen. Neben der Verleihung von Auszeichnungen nutzte die Staatsführung den Anlass, um sich volksnah in der Öffentlichkeit zu zeigen. von Jörn Kleinhardt (29.04.2022)

Neben dem 7. Oktober, dem Tag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, war der 1. Mai – zumindest für die politische Führung – der wohl wichtigste und aufwendigste Feiertag zwischen 1949 und 1989. Die Teilnahme war für jeden Bürger und jede Bürgerin inoffizielle Pflicht. Dieser Tag wurde als »Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus« begangen und verwies auf die Traditionen der internationalen Arbeiterbewegung. Bereits während der Weimarer Republik sowie der Zeit des Nationalsozialismus wurde der 1. Mai als »Feiertag der nationalen Arbeit« begangen. In der DDR waren das Recht auf Arbeit, einen Arbeitsplatz, dessen freie Wahl sowie das Recht auf Lohn nach Qualität und Quantität der Arbeit im Grundgesetz als sozioökonomisches Recht verankert.

Die aufwendige Gestaltung der Feierlichkeiten, zu denen Militärmärsche, Sport- und Musikvorführungen, ein Volksumzug sowie die sogenannten »Maireden« der Staatsoberhaupte zählten, sollte mehrere Funktionen erfüllen.

Der 1. Mai zur Ehrung der arbeitenden Bevölkerung der DDR

Zunächst wollte die SED als leitende Partei des Arbeiter- und Bauernstaates eine Ehrung der arbeitenden Bevölkerung suggerieren. So wurde dieser Anlass genutzt, eine hohe Anzahl an staatlichen und betrieblichen Auszeichnungen zu verleihen: Arbeitskollektive der staatlichen Betriebe wurden mit dem Titel »Kollektiv der sozialistischen Arbeit« geehrt, um gemeinschaftlich erwirtschaftete Produktionserfolge in den Betrieben herauszustellen. Die stetige Steigerung des wirtschaftlichen Fortschritts stand somit im Mittelpunkt der Feierlichkeiten, insbesondere um sich auf dem internationalen Wirtschaftsparkett behaupten zu können.

Darüber hinaus strebte die SED im Rahmen der 1. Mai-Feierlichkeiten danach, Präsenz und Volksnähe zu der Wählerschaft zu zeigen. Am 1. Mai 1951 wurde der jüngst in Marx-Engels-Platz umbenannte Schlossplatz zum zentralen Kundgebungsplatz in Berlin gemacht. Die Partei- und Staatsführung nahm auf einer Ehrentribüne Platz, von der aus sie den Vorbeiziehenden verschiedenen Alters zuwinken konnte. Rote Mainelken sowie Winkelelemente gehörten zum Straßenbild der Maidemonstrationen.

Rote Mainelke aus Plastik
Rote Winkelelemente (Fähnchen) mit der Aufschrift »1. MAI«

Der 1. Mai als inoffizielle Pflichtveranstaltung für alle

Auch für Schülerinnen und Schüler war die Teilnahme Pflicht: In FDJ- und Pionier-Kleidung hielt man Plakate, Transparente sowie Portraits bedeutender DDR-Politiker hoch und zog damit an der Ehrentribüne vorbei. Die Losungen auf den Transparenten wurden ebenfalls zentral vorgegeben und wurden einige Tage vor dem 1. Mai in der Zeitung »Neues Deutschland«, dem zentralen Presseorgan der SED, veröffentlicht. Das Plakat aus unserer Sammlung mit dem Spruch »Gemeinsam stärken wir den Frieden« ist von 1973 und wurde von der Deutschen Werbe- und Anzeigengesellschaft (DEWAG), einem organisationseigenen Betrieb der SED, gedruckt.

Pappschild 1. Mai mit Aufschrift »Gemeinsam stärken wir den Frieden«

Zwischen 1956 und 1976 wurden die Feierlichkeiten mit einer Militärparade nach sowjetischem Vorbild eröffnet, wobei Einheiten der NVA am Kopf des Umzuges marschierten. Da es im Laufe der Jahre zunehmend schwieriger wurde, die DDR-Bürger und -Bürgerinnen zu einer Teilnahme an den Maidemonstrationen zu motivieren, ähnelte dieser einst feierliche Festtag mit politisch-seriösem Charakter zunehmend einem Volksfest mit Imbissbuden und Fahrgeschäften.

 

Anmerkung der Redaktion: Der Blogartikel erschien erstmals am 30. April 2015.

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